Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union hat sich auf ein Embargo gegen Rohöl und raffinierte Erdölerzeugnisse aus Russland geeinigt. Das am 3. Juni 2022 beschlossene sechste EU-Sanktionspaket sieht zwar eine Ausnahme über Pipeline geführtes Rohöl vor, aber wie Sie wissen, haben Deutschland und Polen sich gemeinsam verpflichtet, bis Ende 2022 auch aus diesem Öl auszusteigen. Die Frage der Rohöllieferungen aus Russland betrifft unmittelbar unsere Raffinerien in Ostdeutschland, in Leuna und in Schwedt, die im Jahr 2021 zwei Drittel der russischen Rohölimporte erhielten.

Zu Schwedt. Sie wissen, da gibt es eine spezielle Situation bezüglich der Eigentumssituation. Da ist die Bundesregierung, glaube ich, auch gefordert, entsprechende Lösungen zu bieten. Bei Leuna - das ist Ihnen auch bekannt - ist die Situation die, dass „Total“ von Paris aus entschieden hat, von sich aus, unabhängig von politischen Entscheidungen, die in Brüssel getroffen wurden, bis Ende des Jahres auch aus dem Öl aus Russland auszusteigen.

Dabei müssen wir wirklich auf die Lösungen vertrauen, die dazu mit der Bundesregierung und europäischen Partnern entschieden wurden, etwa über Danzig und andere Wege Öl auch nach Leuna zu liefern. Das ist also alles nicht ganz unproblematisch. In jedem Fall ist halt die Sorge wirklich nachvollziehbar, dass es hierdurch zu höheren Preisen für Kraftstoffe und Heizöl vor allem in Ostdeutschland kommen kann.

Das gilt insbesondere mit Blick auf das bereits jetzt außerordentlich hohe Energiepreisniveau hier bei uns in Ostdeutschland. Es sind verschiedene Maßnahmen zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher von den hohen Energiepreisen beschlossen worden. Eine Studie des DIW in Berlin aus dem April 2022 deutet jedoch klar darauf hin, dass sie die Belastungen nicht vollständig kompensieren können. Ich glaube, das erleben wir aktuell, wenn wir an die Zapfsäulen schauen.

Weitere Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger muss daher geprüft werden. Der Antrag, der hier vorliegt, enthält einige konkrete Vorschläge dazu. Ich sage aber auch eines ganz klar: Bei allen Maßnahmen dürfen wir die Mitte der Gesellschaft nicht außer Acht lassen; denn auch sie spürt das Preisniveau jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit oder an einer Supermarktkasse und muss letzten Endes diese Transferleistungen erarbeiten für all diejenigen, die nicht arbeiten gehen.

Klar muss auch sein, dass der von der LINKEN geforderte beschleunigte Ausbau sowie der Aufbau von Speicherkapazitäten mit dem Ziel „Weg von von den fossilen Energieträgern“ eben kurzfristig nicht dazu führen wird, dass die Preise sinken werden. Das Land, also wir als Sachsen-Anhalt, hat, wie Sie wissen, beim Planungsrecht nicht das Heft des Handelns in der Hand. Ferner sei auf die Pläne der Bundesregierung verwiesen, die Laufzeiten von Kohlekraftwerken ggf. zu verlängern, weil wir eben trotz der erheblichen auch finanziellen Anstrengungen der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht mit den Erneuerbaren hinkommen.

Vielleicht einmal zwei Zahlen dazu. Von den 588 produzierten Terawattstunden im Jahr 2021 entstammten ca. 234 den erneuerbaren Energien, also ca. 40 %. Der Rest muss halt auch irgendwo herkommen und substituiert werden.

Ganz bei Ihnen bin ich hingegen, was das Thema faire Netzentgelte angeht. Das ist wirklich ein Thema, habe ich vor Kurzem auch auf dem „Ostdeutschen Wirtschaftsforum“ in Bad Saarow gegenüber Herrn Habeck und auch Herrn Scholz angesprochen. Das ist eine unfaire Behandlung der Menschen hier in Ostdeutschland, die nicht zu verstehen ist.

(Beifall bei der CDU)

Und wenn wir das mit den Netzentgelten nicht hinbekommen,

(Zuruf)

wird auch der Ausbau der erneuerbaren Energien, so wie er von einigen gefordert und auch aus Berlin im Moment vorangetrieben wird, innerhalb der Bevölkerung keine Mehrheit finden.

Ich möchte, wenn es erlaubt ist, noch auf ein Thema eingehen. Das ist so ein bisschen in Punkt 6 dieses Antrages wiederzufinden. Da geht es in Richtung Strukturwandel bzw. das, was in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde. Das ist genau der Punkt. Wir müssen jetzt aufpassen, dass durch das, was im Moment aufgrund der Situation in der Ukraine und aufgrund von anderen Einflüssen alles auf uns einstürzt, das, was wir im Osten hier in den letzten 30 Jahren aufgebaut haben, nicht innerhalb kürzester Zeit zerstört wird. Das muss unsere Aufgabe vonseiten der Regierung, vonseiten der Parlamentarier, vonseiten aller Beteiligten sein.

Das werden wir auch gemeinsam mit Ihnen zumindest im Rahmen dessen, was wir tun können, versuchen zu steuern. Aber ich denke, auch Sie wissen alle, dass Berlin und Brüssel einen sehr viel größeren Einfluss darauf haben.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und danke für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Ich danke Ihnen, Herr Minister. - Frau Eisenreich hat eine Frage.


Kerstin Eisenreich (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben in den Eingangsausführungen Ihrer Rede auf mittlere Einkommen abgezielt. Stimmen Sie mir darin zu, dass die Maßnahmen, die wir vorschlagen, z. B. das einkommensgerechte Klimageld, die Veränderung der Netzentgelte

(Ulrich Siegmund, AfD: Klimageld!)

und das kostenlose Grundkontingent von Strom und Energie generell, auch diesen Einkommensgruppen sehr stark zugutekommen?


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Zum Thema Netzentgelte habe ich mich geäußert. Ich will eines zum Ausdruck bringen: Wir haben immer wieder eine Diskussion darüber, dass gesagt wird, es gibt eine gewisse Schicht in der Bevölkerung, an die wir immer zuerst denken müssen, wenn es um Entlastungen geht. Nach meiner Auffassung wird auch an diejenigen Menschen, die jeden Morgen aufstehen, ihre Kinder zur Schule und zur Kita bringen, dann zur Arbeit fahren,

(Zustimmung bei der CDU und von Andreas Silbersack, FDP)

von dort wieder nach Hause kommen, sich mit den Kindern beschäftigen und am Abend todmüde ins Bett fallen, viel zu wenig gedacht, wenn es um Entlastungen geht. Ich glaube, wir tragen alle dazu bei, diese Entlastungen im Moment aufzufangen. Das merkt jeder, egal ob er ein kleines oder ein großes Einkommen hat. Das ist eine schwierige Situation. Deswegen sage ich ganz klar auch in Richtung der Bundesregierung   diese hat vor Kurzem bei gewissen Entlastungen aus meiner Sicht die Rentner und vielleicht auch die Studenten sowie andere Menschen vergessen  :

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja!)

Wenn wir die gesamte Bevölkerung mitnehmen wollen, dann müssen wir bei den Entlastungen auch an die gesamte Bevölkerung denken.

(Beifall bei der CDU)