Konstantin Pott (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Anger, eines habe ich bei Ihrem Redebeitrag jetzt nicht so ganz verstanden. Wir wollen doch die digitale Pflegebegutachtung gar nicht zur Pflicht machen,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Siegfried Borgwardt, CDU: Ja, genau!)

sondern wir wollen nur ein bewährtes Verfahren aus den letzten zwei Jahren weiterführen.

Wenn man darüber mit Betroffenen spricht, dann gibt es natürlich diese Ängste. Aber genau deswegen machen wir es ja nicht zur Pflicht, sondern wir wollen diese etablierte und gute Option fortführen.

Die Coronapandemie sorgte vor allem im Gesundheitswesen für viele Hürden, die es zu überwinden galt. Fast täglich mussten aufgrund von erkranktem Personal und erkrankten Patienten Abläufe verändert und neu organisiert werden; denn im Gesundheitswesen geht es um die Arbeit mit und am Menschen.

Die Option der Pflegebegutachtung des Versicherten digital durchzuführen ist ein wichtiger Schritt zur Entlastung von Leistungsprüfern, Pflegenden, aber auch Betroffenen. Beratungsbesuche als Telefoninterview oder Videokonferenz sind eine sinnvolle Ergänzung zu der Möglichkeit des bisher gängigen Hausbesuches. Die Patientinnen und Patienten entscheiden mit, ob sie diese Art der Beratung wünschen. Das kann auch eine große Entlastung sein, da gerade für Pflegende, aber auch für Patienten ein Hausbesuch lange Wartezeiten und eben auch eigenen Aufwand bedeutet. Des Weiteren spart sich der Leistungsprüfer und Gutachter einen eventuellen Anfahrtsweg. Die dadurch gewonnene Zeit kann wiederum in weitere Patientinnen und Patienten investiert werden.

In einer Beschlussempfehlung des Bundestages wurde kürzlich festgelegt, dass auf Wunsch der Pflegebedürftigen bis Mitte 2024 jede zweite Beratung per Videokonferenz stattfinden kann. Das wäre eine echte Entlastung für beide Seiten. Des Weiteren hat man sich auf der Bundesebene dafür ausgesprochen, dass das Elfte Sozialgesetzbuch nun so angepasst werden soll, dass die Untersuchung im Wohnbereich in geeigneten Fällen durch ein strukturiertes Telefoninterview oder eine Videokonferenz ersetzt werden kann.

Es bleibt festzuhalten, dass die digitale Begutachtung ein zeitgemäßes Instrument zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist, was auch zukünftig   natürlich mit Zustimmung der betreffenden Person   weiterhin Anwendung finden sollte. Diese Verfahrensweise stellt eine zukunftsorientierte Entwicklung im Gesundheitswesen dar, welche Erkenntnisse aufgreift und eine geeignete Anwendung digitaler Möglichkeiten mit sich bringt.

An diesen Schritt müssen wir jetzt anknüpfen und die Chancen der Digitalisierung für die Pflege nutzen, auch nach Corona. Konkret bedeutet das jetzt auch vorzudenken, wie bürokratische Vorgänge vereinfacht und digitalisiert werden können. Projekte wie die vollumfängliche Einführung der elektronischen Patientenakte müssen jetzt bundesweit vorangetrieben werden. Auch Robotik wird eine sinnvolle Ergänzung für feste Abläufe in der Pflege wie z. B. die Medikamentenausgabe.

In der Digitalisierung im Pflegebereich liegt noch viel ungenutztes Potenzial; hier muss auch der Bundesgesundheitsminister liefern. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Pott, es gibt eine Frage von Frau Anger. Wollen Sie diese beantworten?


Konstantin Pott (FDP):

Sehr gern.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Offensichtlich. - Frau Anger, Sie können sie jetzt stellen.


Nicole Anger (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Pott, dass Sie die Fragen beantworten. Zunächst muss ich sagen, Menschen sind für mich keine Investitionsgüter. Dazu mögen wir ganz unterschiedliche Auffassungen haben.

Ansonsten wäre es sehr schön gewesen, Sie hätten mir bis zum Ende meiner Ausführungen zugehört, als ich über die Hinweise des Sozialverbandes sprach. Deswegen möchte ich Sie gern fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, dass ein Anstieg der Zahl der Widerspruchsverfahren nicht für ein bewährtes Verfahren sprechen kann. Oder wie erklären Sie es sich sonst, dass es dort einen Anstieg gibt?


Konstantin Pott (FDP):

Ich bin der Meinung, dass wir genauer schauen sollten, was hinter den Zahlen steckt. Wir haben auch insgesamt mehr laufende Verfahren dadurch, dass wir mehr Pflegebedürftige haben. Das heißt, wir müssen das immer erstens ins Verhältnis setzen und zweitens schauen, woran das liegt. Wir werden mit Sicherheit auch die Prozesse, die jetzt geschaffen wurden, immer wieder evaluieren müssen. Das ist ein ganz normaler Prozess. Aber aufgrund dieser Zahlen jetzt grundlegend zu sagen, die digitale Pflegebegutachtung sei keine gute Option, das halte ich für komplett falsch.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)