Tagesordnungspunkt 12

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt und des Richtergesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktion AfD - Drs. 8/1143


Einbringen wird diesen Gesetzentwurf der Abg. Herr Lizureck. - Bitte.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! In verschiedenen Ausgestaltungen bestehen in den meisten Bundesländern Richterwahlausschüsse oder Richterwahlkommissionen. Seit Inkrafttreten der Landesverfassung im Jahr 1992 besteht für Sachsen-Anhalt die Möglichkeit der Bildung eines Richterwahlausschusses nach Artikel 83 Abs. 4 der Landesverfassung und auf der Grundlage eines Landesrichtergesetzes. Von dieser Möglichkeit wurde bislang nicht Gebrauch gemacht. Wir fragen uns ernsthaft: Warum ist das so?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Na, warum wohl!)

In unserem Land ist die Richterauswahl eine Blackbox. Öffentlich ist ja nur die Stellenausschreibung. Die Auswahlentscheidung findet hinter verschlossenen Türen im Ministerium für Justiz statt. Nur im Fall einer Konkurrentenklage muss sich diese Tür einen kleinen Spalt weit öffnen.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Das nach dem Jahr 1992 niemand ernsthaft auf die Idee gekommen ist, dass die derzeitige Praxis der Richterauswahl ein Problem ist, zeigt uns nur, wie unsensibel bei uns mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung umgegangen wird.

(Beifall bei der AfD)

Mit unserem verfassungsändernden Gesetzentwurf wollen wir der Auswahl der Proberichter und der Berufung zu Richtern auf Lebenszeit ein transparentes Verfahren geben. Unser Modell gibt dem Justizminister lediglich eine moderierende Rolle beim Auswahlverfahren. Genau das ist wichtig, um der Exekutive keine Gestaltungsmacht über die Judikative zu geben. Sie hätte sonst nämlich die Möglichkeit, über eine gezielte Personalpolitik langfristig in die Rechtsprechung einzugreifen.

Wir mussten daher mit unserem Gesetzentwurf in die Landesverfassung eingreifen, um eine maßgebliche Rolle des Ministeriums für Justiz beim Auswahlverfahren auszuschließen. Es wird Sie kaum überraschen, dass wir ein Modell vorschlagen, nach dem zwingend alle Fraktionen des Landtages proportional im Richterauswahlausschuss vertreten sein müssen.

Deswegen haben wir darauf verzichtet, den Richterwahlausschuss gesetzlich zahlenmäßig zu begrenzen. Wichtig ist uns dabei nur, dass niemand auf die Idee kommt, die Opposition in gleicher Weise zu diskriminieren, wie das beim Parlamentarischen Kontrollgremium künftig der Fall sein wird. Es kann und darf nicht sein, dass in einem polarisierten Parlament die Mehrheit die Minderheit in ihren Kontrollrechten empfindlich beschneidet und dass das parlamentarische System zu einer Art Diktatur der Mehrheit verkommt.

Unser Gesetzentwurf gibt im Übrigen den aus der Richterschaft gewählten Richtern auf der Richterbank ein leichtes Übergewicht. Ihre Mehrheit kann danach ein Mehrheitsvotum des gesamten Richterauswahlausschusses über ein begründetes Veto zu Fall bringen. Umgekehrt geht das nicht.

Folgender Rechtsgedanke ist dabei: die Macht der gesetzgebenden Gewalt im Konfliktfall einzuschränken. Hierbei soll die fachliche Expertise der im Richterwahlausschuss vertretenen Berufungsrichter einfach mal Vorfahrt haben vor möglicherweise parteipolitisch motivierten Mehrheitsentscheidungen von zwar gewählten, aber dennoch nur zur Kontrolle entsandten Abgeordneten.

Die Vetomöglichkeit der Richtermehrheit rechtfertigt sich nicht zuletzt durch die unmittelbare, geheime Wahl der Richter durch die Richterschaft des Landes nach dem im Landesrichtergesetz festgelegten Verfahren für die Landesrichterräte, auf das wir ja im Gesetzentwurf verweisen.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Lizureck, einen Augenblick, bitte. - Wenn es möglich wäre, dass Zwiegespräche außerhalb des Plenarsaals geführt werden würden, würde dies der Atmosphäre der Debatte hier sicherlich förderlich sein. - Herr Lizureck, bitte.


Frank Otto Lizureck (AfD):

Meine Damen und Herren! Die EU-Kommission hackt bekanntermaßen auf Polen und Ungarn ein, weil angeblich die Politik mit neuen Gesetzen zur Einsetzung und Abberufung von Richtern zu stark in die Rechtsprechung eingreifen könnte. Haben Sie eigentlich schon mal daran gedacht, dass die jetzige Praxis der Richterauswahl ohne Richterwahlausschüsse oder mit Richterwahlausschüssen mit einem weniger austarierten Verfahren, also mit einem klaren Übergewicht der Politik, dieselben Folgen für Sachsen-Anhalt haben könnte?

Die polnische und die ungarische Regierung könnten über ein in den EU-Verträgen vorgesehenes Vertragsverletzungs-Verfahren ihrerseits gegen Deutschland klagen, weil einfach mal gar nichts geregelt wurde oder eine eindeutige politische Schlagseite bei der Richterauswahl unübersehbar ist. Dann wäre auch Deutschland gezwungen, ein Rahmengesetz für die Länder zu schaffen, das sich wohl mehr oder weniger an unserem Gesetzentwurf orientieren würde.

Der polnische Justizminister Sebastian Kaleta gilt als geistiger Urheber der polnischen Justizreform, gegen die die EU-Kommission Sturm läuft. Dieser äußerte sich in einem Interview mit der „Welt“ am 20. Oktober 2021 - ich darf zitieren -:

„Deutsche halten uns unsere Schwächen vor und verschließen gleichzeitig die Augen vor den Mängeln des Justizsystems zu Hause. Ich darf daran erinnern, dass bei uns, bei den Ernennungen der Richter, die entscheidende Stimme die Richter selbst haben.“

Genau das ist in keinem einzigen Richterwahlausschuss der deutschen Bundesländer umgesetzt und soll auch in unserem Modell nur im Fall des Konflikts von Justiz und Politik im Richterwahlausschuss zum Tragen kommen. Ansonsten steht unser Vorschlag für ein Konsensverfahren.

Meine Damen und Herren! Schon vor Jahrzehnten trat die Elite der deutschen Staatsrechtslehrer und Verfassungsrichter für eine entpolitisierte Justiz ein. Vielleicht sagen dem einen oder anderen noch die Namen Ernst-Wolfgang Böckenförde oder Ernst Forsthoff noch etwas, beides renommierte Staatsrechtslehrer und Verfassungsrichter in der alten Bundesrepublik.

Der Sozialdemokrat Böckenförde beklagte im Jahr 2002 noch die Parteipatronage in der Justiz im Allgemeinen und beim Bundesverfassungsgericht im Besonderen:

„In der Empfehlung des Europarates zu den Aufnahmekriterien neuer Mitgliedstaaten von 2006 heißt es: ‘Die für die Auswahl der Richter zuständige Behörde sollte von der Exekutive unabhängig sein.‘ Das ist so in Spanien, Frankreich, Italien, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden, jedoch nicht bei uns. Deutschland wäre, wäre es nicht Kernland der EU, ein problematischer Beitrittskandidat.“

Beenden Sie also mit Ihrer Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf dieses Manko. Ich bitte um die Überweisung unseres Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)