Holger Hövelmann (SPD): 

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wenn in diesem Land irgendwo eine Schule saniert wird, wenn in einem städtischen Krankenhaus Essen gekocht oder eine Straße neu asphaltiert wird, dann steht dahinter immer die öffentliche Hand. Sie ist für die Wirtschaft einer der wichtigsten Kunden. Das Land und die Kommunen können daher bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wahrlich viel bewirken. Zugleich müssen die Unternehmen ein Interesse daran haben, sich auch um solche Aufträge zu bewerben. Dies auszutarieren, ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Aber ich sage: Uns als Koalition ist dies mit dem Ihnen vorliegenden Entwurf eines neuen Tariftreue- und Vergabegesetzes gelungen. Von diesem Gesetz profitieren Arbeitnehmer, Unternehmer und Auftraggeber. 

Lassen Sie mich gleich zu dem für uns wichtigsten Punkt kommen: Mit dem Gesetz wird sichergestellt, dass in Sachsen-Anhalt niemand zu schlechten Löhnen für die öffentliche Hand arbeitet. 

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte ein Beispiel nennen. Sie werden vielleicht im Land die großen Plakate von Amazon gelesen haben, auf denen mit einem Gehalt von rund 12,70 € pro Stunde für ungelernte Arbeiter geworben wird. Eine Reinigungskraft, die abends oder nachts das Amtsgebäude eines Rathauses reinigt, erhält dagegen als Einstiegsverdienst gerade einmal 11,55 € pro Stunde. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zu wenig. 

(Beifall bei der SPD)

Gerade die öffentliche Hand sollte dafür Sorge tragen, dass Arbeitnehmer vernünftig bezahlt werden. Nach § 11 des Gesetzentwurfes muss sich daher jedes Unternehmen, das einen öffentlichen Auftrag ausführt, zu einer Zahlung nach Tarif mindestens aber zum Vergabemindestlohn verpflichten. Dieser Vergabemindestlohn   das hat Kollege Silbersack angesprochen   berechnet sich nach den vorgetragenen Formeln und erreicht für das Jahr 2022  13,01 € pro Stunde. 

Da der Betrag an den Tarifvertrag der Länder gekoppelt ist, profitieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch zukünftig von den Ergebnissen der Tarifverhandlungen. Das Tariftreue- und Vergabegesetz ist somit ein wichtiger Schritt, um die vielen niedrigen Löhne in unserem Lande insgesamt anzuheben. 

Ich will ausdrücklich unseren Koalitionspartnern dafür danken, dass sie den Weg für diese Kernforderung der SPD freigemacht haben. 

(Beifall bei der SPD und bei der FDP)

In einem weiteren Punkt profitieren Arbeitnehmer. Das Tariftreue- und Vergabegesetz sagt befristeten Arbeitsverträgen ohne Sachgrund den Kampf an. Keine Küchenkraft, keine Hausmeisterin und kein Sicherheitsmann sollen sich bei öffentlichen Aufträgen ohne Begründung von Befristung zu Befristung hangeln müssen. Das schafft gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten Sicherheit für die Menschen. 

(Beifall bei der SPD)

Zugleich, meine sehr verehrten Damen und Herren   das ist bereits angesprochen worden  , sorgen wir für Verwaltungsvereinfachung. Der Papier- und Formularwust wird für Auftragnehmer überschaubarer. Das Bestbieterprinzip ist angesprochen worden. Es sorgt dafür, dass erst, wenn der Zuschlag erteilt ist, die Nachweise komplett zu erbringen sind. 

Schließlich profitieren von den neuen Regelungen auch die öffentlichen Auftraggeber. Mit der Erhöhung der Schwellenwerte, ab denen das Gesetz greift, profitieren viele Kommunen mit kleineren Aufträgen. Die großen Ausschreibungen wären an dieser Stelle oft nicht sinnvoll. Der Verwaltungsaufwand wird reduziert. 

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in § 8 des Gesetzes klargestellt, was wir unter dem wirtschaftlichsten Gebot verstehen. Wenn ein Unternehmen bspw. bei Baumaßnahmen durch billige Materialien den Preis drückt, dann erhält es künftig nicht mehr einfach so den Zuschlag. Das verhindert Mehrkosten und ist im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Steuergeldern alle Mal richtig. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das bisherige Vergabegesetz zu erneuern, ist eines der wichtigsten wirtschaftspolitischen Anliegen dieser Koalition. Umso mehr freut es mich, dass wir mit dem vorliegenden Entwurf die Vorstellungen aller drei Partner sinnvoll zusammengefügt bekommen haben. 

Das Signal für die Unternehmen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ist klar. Diese Koalition liefert und diese Koalition liefert gut. Ich bin mir daher sicher, dass die weiteren Beratungen dementsprechend kurz ablaufen werden. 

Ich bitte um die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Finanzen sowie Kommunales und Sport. 

(Rüdiger Erben, SPD: Inneres!)

  Inneres und Sport, Entschuldigung, ich bin gerade nicht auf den Begriff gekommen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

(Zustimmung bei der SPD) 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Hövelmann. Es gibt eine Frage von Herrn Rausch. 


Daniel Rausch (AfD): 

Herr Hövelmann, ich habe kürzlich mit einem Straßenbauarbeiter gesprochen. Er hat mir gesagt, dass die Firma, in der er arbeitet, 30 Angestellte bzw. 30 Arbeiter und sage und schreibe 13 Baustellen hat. Termine können überhaupt nicht eingehalten werden. Könnte man diesbezüglich nicht irgendwas unternehmen?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Ja, Zuwanderung! - Zurufe von der AfD: Oh! - Zuruf von der AfD: Zuwanderung in die Sozialsysteme!)


Holger Hövelmann (SPD): 

Ich habe den Hintergrund Ihrer Frage nicht ganz verstanden. 


Daniel Rausch (AfD): 

Die Firma ist im Prinzip total überlastet. Das heißt, die haben 30 Bauarbeiter und aktuell 13 Straßenbaustellen. Das können sie nicht bedienen, und es steht von vornherein fest, dass die Termine nicht gehalten werden können. Damit planen manche Unternehmen schon. Könnte man diesbezüglich etwas in das Gesetz einarbeiten? Was könnte man diesbezüglich generell machen?

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Melden Sie sich fürs Mitmachen an!) 


Holger Hövelmann (SPD): 

Das ist weniger etwas, das wir im Vergabegesetz regeln können. Die Frage ist ja, welche Kapazitäten am Markt im Verhältnis zu den Aufträgen, die vergeben werden, vorhanden sind. In den zurückliegenden Jahren sind Kapazitäten abgebaut worden, bspw. in der Industrie und in der Wirtschaft. Auch in der Bauwirtschaft haben wir heute weniger Kapazitäten als vor zehn oder 20 Jahren. Diese müssen bei zunehmenden Auftragsvolumina wieder aufgebaut werden. Es ist die Aufgabe der Firmen, entsprechende Fachkräfte zu finden. Das ist keine leichte Aufgabe. Sie haben beschrieben, wie die Lage ist, aber eine solche Problemlage werden wir mit einem Vergabegesetz nicht regeln. 

Wir regeln natürlich die Attraktivität für die Beschäftigung in einem Betrieb, der einen öffentlichen Auftrag erfüllt, weil Menschen möglicherweise besser bezahlt werden als heute; es sei denn, Sie haben schon heute eine tarifvertragliche Regelung, die über das hinausgeht, was wir in unserem Gesetz vorschlagen. Aber das ist das, was wir regeln können. 

Wir können zudem regeln   das ist der Vorschlag im Gesetzentwurf  , dass die Verfahren von der Ausschreibung über die Vergabe hin zur Ausführung des Auftrages schneller vonstattengehen und dass die Verfahrensabläufe weniger bürokratisch sind und damit ein paar Ressourcen freigeschöpft werden. Ansonsten können wir an der Stelle wirklich nicht viel machen. Es ist die Aufgabe der Wirtschaft, das selbst zu lösen.