Susan Sziborra-Seidlitz (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Fachkräftemangel in Sachsen-Anhalt ist akut und betrifft viele Bereiche. Doch während es in vielen Feldern duale Ausbildungen gibt und die Lehrlinge ein - wenn auch meist zu geringes - Gehalt erhalten, ist dies insbesondere in der Pflege, im sozialen und im pädagogischen Bereich oftmals nicht der Fall. Stattdessen wird hier in vielen Berufen vollzeitschulisch ausgebildet, und sehr häufig übernehmen diese Aufgabe der schulischen Ausbildung - dies hat Herr Bernstein gerade schon ausgeführt - Schulen in freier Trägerschaft. Das ist dann auch der Bogen zum zweiten Teil der von der Koalition beantragten Neuregelungen.

Ohne die freien Träger wäre der Bedarf an Nachwuchskräften in diesen Ausbildungsberufen in Sachsen-Anhalt überhaupt nicht zu decken, und leider sind die Schulen in freier Trägerschaft aufgrund ihrer strukturellen Finanzierungssituation oftmals darauf angewiesen, ein Schulgeld von den Auszubildenden zu erheben; und dies wird sich auch durch die Neuregelungen nicht in jedem Fall ändern lassen können. Das macht die Ausbildung in diesen für die Gesellschaft so wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Soziales und Pädagogik um ein Vielfaches unattraktiver als duale Ausbildungen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels muss es deshalb für uns alle ein dringendes Anliegen sein, eine Schulgeldfreiheit für vollzeitschulische Ausbildungen durchzusetzen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es war deshalb ein richtiger und wichtiger Schritt, dass wir innerhalb der letzten Koalition gemeinsam beschlossen haben, die Ungerechtigkeit zwischen den schulischen Ausbildungsberufen und den dualen, vergüteten Ausbildungsberufen zu beenden. Wenigstens für die Erzieherinnenausbildung konnte seit 2019 eine - zunächst zeitlich befristete - Schulgeldfreiheit unter Zuhilfenahme von finanziellen Mitteln des Bundes aufgrund des Gute-Kita-Gesetzes umgesetzt werden.

Doch jetzt, zum Ende des Ausbildungsjahres 2021/2022, laufen die Mittel des Bundes aus, und bereits im März hatten wir GRÜNEN mit einer Dringlichen Anfrage an die Landesregierung auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Wir sind froh, dass sich die Koalitionsfraktionen jetzt, zwei Monate später, ebenfalls des Problems annehmen, auch wenn ein frühzeitigeres Signal an die Auszubildenden und die Ausbildungsträger wünschenswert und wichtig gewesen wäre; denn ein Ende der Schulgeldfreiheit für die Erzieherinnenausbildung, das ja in Rede stand, hätte fatale Folgen gehabt. Es würde nicht nur die Ausbildung für junge Menschen, die den Erzieherinnenberuf anstreben, wieder unattraktiver machen, sondern insbesondere Erzieherinnen und Erzieher, die bereits in der Ausbildung sind, hätten große Probleme gehabt. Sie hätten ihre Ausbildung unter der Prämisse begonnen, dass sie kein Schulgeld zahlen müssen, und müssten jetzt ihre Planungen ändern, eventuell sogar die Ausbildung abbrechen, wenn sie sich ihr Schulgeld nicht leisten könnten.

Wir GRÜNEN setzen und für eine generelle Schulgeldfreiheit in der Ausbildung ein: für Erzieherinnenberufe, aber auch - das ist das, was Herr Bernstein gerade in der Breite erwähnt hat -für alle anderen vollzeitschulpflichtigen Ausbildungsberufe; denn die Schulgeldfreiheit erleichtert den Zugang zur Ausbildung und bekämpft damit wirksam den Fachkräftemangel.

Wir freuen uns darauf, die Änderungen des Schulgesetzes zur weiteren Ermöglichung der Schulgeldfreiheit für die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher im Ausschuss gemeinsam mit anderen Fraktionen zu diskutieren, und streben, wie wahrscheinlich alle hier, eine schnelle Umsetzung an. Für uns GRÜNE ist aber völlig klar, dass eine Lösung für eine langfristige Schulgeldbefreiung für angehende Erzieherinnen und Erzieher in Sachsen-Anhalt gefunden und umgesetzt werden muss, ohne dass wir dabei von den Entscheidungen des Bundes abhängig sind, und dass die Diskussion um Schulgeld für Auszubildende an dieser Stelle inhaltlich nicht vorbei sein darf. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)