Tagesordnungspunkt 5

Erste Beratung

a)    Entwurf eines Fünfzehntes Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1157

Änderungsantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/1175

b)    Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE - Drs. 8/1144


Hierzu ist eine verbundene Debatte vereinbart worden. Ich rufe nun zunächst Frau Dr. Pähle auf, um den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen einzubringen. - Bitte, Frau Dr. Pähle.


Dr. Katja Pähle (SPD):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Was haben, sagen wir einmal, eine junge Chemiefacharbeiterin, ein angehender Hotelmitarbeiter und ein fertig ausgebildeter Erzieher gemeinsam?

(Zuruf von der AfD)

Richtig, sie werden händeringend gesucht.

Die Bezahlung, die sie in der Ausbildungszeit bekommen haben, ist das, was sie unterscheidet. Wer in der chemischen Industrie lernt, der bekommt im letzten Ausbildungsjahr eine Vergütung von 1 179 € im Monat. Wer im Hotel- und Gaststättengewerbe lernt und das große Glück hat, das in einem tarifgebundenen Ausbildungsbetrieb zu tun, der bekommt im letzten Ausbildungsjahr 950 € monatlich.

Der angehende Erzieher, die angehende Erzieherin, die überall im Land mit Kusshand eingestellt werden, haben in zweijähriger Ausbildung als Sozialassistent und drei weiteren Jahren Erzieherausbildung noch kein Geld gesehen. Im Gegenteil: Sie müssen noch Geld mitbringen und im Durchschnitt 1 416,77 € im Jahr für das für Schulgeld aufbringen. Das ist jedenfalls die Sachlage ohne die Schulgeldbefreiung, die wir mit unserem Gesetzentwurf verlängern wollen. Diese Ungleichbehandlung von Ausbildungsberufen ist nicht nur völlig unverständlich, sie ist ein echter Systemfehler.

(Beifall bei der SPD und von Ministerin Frau Grimm-Benne)

Weil wir die jungen Menschen so dringend brauchen, ist sie auch   verzeihen Sie mir den laxen Ausdruck   ein Schuss ins Knie. Deshalb verfolgen wir als SPD-Fraktion bereits seit der letzten Wahlperiode nachdrücklich das Ziel, schrittweise die Schulgeldfreiheit für diesen und weitere Ausbildungsberufe einzuführen.

Ich bin froh, dass auch die neue Koalition an diesem Ziel weiterarbeitet. Der erste Schritt auf diesem Weg war die vorgezogene Abschaffung des Schulgelds für die Pflegeausbildung im Jahr 2018, im Vorgriff auf die Einführung der einheitlichen Pflegeausbildung durch den Bund. Schon bei dieser Maßnahme ging es darum, dass wir einen gesellschaftlichen Mangelberuf nicht durch die Erhebung von Schulgeld noch unattraktiver machen dürfen. Mittlerweile ist dank der bundesgesetzlichen Regelung sogar eine Ausbildungsvergütung für die Pflegeberufe eingeführt worden. Das wurde, ehrlich gesagt, auch höchste Zeit.

Der zweite Schritt wurde dadurch möglich, dass sich Ministerin Frau Grimm-Benne mit der Bundesfamilienministerin im Jahr 2019 darauf verständigte, die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz für die Abschaffung des Schulgeldes zu verwenden. Von dieser Regelung haben die Auszubildenden seither profitiert.

Da unsere gesetzliche Regelung zum Ende des Schuljahres im Sommer ausläuft, gehen wir jetzt den dritten Schritt und verlängern die Regelung zunächst für das kommende Schuljahr. Für die Schulen gibt es damit Klarheit und Rechtssicherheit.

Damit setzen wir den Koalitionsvertrag in einem wichtigen Punkt um. Dort haben wir vereinbart, die bislang befristete Schulgeldfreiheit zu verstetigen. Eines ist ganz wichtig: Wir haben die Schulgeldfreiheit als dauerhafte Regelung politisch fest verabredet, unabhängig davon, dass der Bund sein Gute-Kita-Gesetz erst noch verlängern muss, und unabhängig davon, ab wann die neuen Mittel daraus zur Verfügung stehen.

Wir können allerdings sehr froh sein, wenn das mit dem Gute-Kita-Gesetz klappt und wir die Mittel nicht aus anderen Vorhaben des Landes abziehen müssen. Das kennzeichnet übrigens den wesentlichen Unterschied zwischen unserem Gesetzentwurf und dem der LINKEN. DIE LINKE gibt die Unterstützung durch den Bund bereits verloren; das tun wir nicht. Im Gegenteil: Die Gespräche dafür sind auf einem guten Weg. Die Ministerin wird dazu sicherlich noch berichten.

Meine Damen und Herren! Natürlich kann es bei der Schulgeldfreiheit nicht nur um den Erzieherberuf gehen. Im Koalitionsvertrag heißt es deshalb grundsätzlich: Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung sind zentrale Schritte für die Nachwuchs- und Fachkräftesicherung. Wir haben dazu verabredet, diese Schritte   gemeint sind Schulgeldfreiheit und Ausbildungsverfügung   auch für die landesrechtlich geregelten Gesundheitsberufe folgen zu lassen. Erziehungs- und Gesundheitsberufe müssen den dualen Ausbildungsberufen gleichgestellt und entsprechend vergütet werden. Es gibt in diesem Bereich also noch einiges zu tun.

Und das tun wir auch. Mit dem gestern beschlossenen Haushalt haben wir den Weg dafür bereitet, mit der Förderung für die praxisorientierte Variante der vollschulischen Ausbildung voranzuschreiten. Dieses Programm beinhaltet auch eine Ausbildungsvergütung. Ich begrüße es sehr, dass wir uns darauf verständigt haben, dieses Pilotprojekt für eine vergütete Erzieherausbildung fortzusetzen.

Meine Damen und Herren! Sie finden in unserem Gesetzentwurf noch einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, in dem es um eine weitere Regelung im Schulgesetz geht. Es geht um eine Folgeregelung zu dem gestern verabschiedeten Landeshaushalt, in der wir als Koalition eine Übergangsregelung für die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft verankert haben. Diese Übergangsregelung sehen wir als einen wichtigen Beitrag dazu an, die Finanzierung der Ersatzschulen endlich einvernehmlich zu regeln und auf solide Füße zu stellen. Die ständigen Auseinandersetzungen und nicht zuletzt auch die zahlreichen Klageverfahren sollten der Vergangenheit angehören, indem sich das Land und die freien Träger auf nachvollziehbare Kriterien verständigen und wir im Haushalt für eine solide Untersetzung sorgen.

Meine Damen und Herren! Wir beantragen, die beiden Gesetzentwürfe und den Änderungsantrag in den Bildungsausschuss zu überweisen.

Ich will den Überweisungsantrag ausnahmsweise etwas ausführlicher begründen. Zum einen geht es uns darum, das Gesetz zügig zu behandeln und schon im Juniplenum zu verabschieden. Das ist im Interesse der Rechtssicherheit für alle Beteiligten geboten. Zum anderen ist es eine Binsenweisheit   aber es muss betont werden  , dass das Bildungsministerium   das gilt im Landtag für den Bildungsausschuss entsprechend   für alle Schulen zuständig ist, auch für die Fachschulen und für die Rahmenbedingungen, unter denen Ausbildung stattfindet.

Ich sage das, weil man gelegentlich den Eindruck gewinnen kann, dass das nicht allen klar ist. Im Zentrum stehen für einige Kolleginnen und Kollegen die allgemeinbildenden Schulen und dort wiederum der Fachunterricht. Damit besteht leider immer die Gefahr, dass alles andere als Randaspekt der Bildungspolitik betrachtet wird. Auf der inhaltlichen Ebene bedeutet das: weniger Betrachtung von Schulsozialarbeit, von pädagogischer Mitarbeit, von Berufsvorbereitung, Demokratiebildung und Kooperation mit außerschulischen Partnern. Auf der institutionellen Ebene heißt das: wenig Aufmerksamkeit für Berufsschulen, Fachschulen, Erwachsenenbildung, politische Bildung und leider oft auch für Schulen in freier Trägerschaft.

Das ist ein verkürzter Bildungsbegriff, den wir uns aber nicht leisten können, wenn wir Kindern und Jugendlichen die besten Startchancen garantieren wollen und wenn wir dem Gedanken des lebenslangen Lernens gerecht werden wollen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zur Überweisung. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Frau Dr. Pähle. Zur Klarstellung: Sie plädieren für eine Überweisung in den Bildungsausschuss, nicht in den Sozialausschuss.

(Dr. Katja Pähle, SPD: Ja, in den Bildungsausschuss! Genau so!)