Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wer Opfer einer Straftat wird, kann großes Leid erfahren. Dazu können körperliche und psychische Schäden, Angstgefühle, der Verlust an Vertrauen und die Unfähigkeit gehören, so weiterzuleben, wie bisher. Es kommen oft materielle Schäden hinzu, die Betroffene schnell in eine finanzielle Zwangslage bringen können. Auch die Angehörigen sind betroffen; denn auch sie können unter den Auswirkungen einer Straftat leiden.

Es ist Aufgabe des Staates, seine Bürgerinnen und Bürger vor Straftaten zu schützen. Gelingt ihm das nicht, ist es seine Aufgabe, Betroffenen beizustehen, wenn Hilfe gebraucht wird. Das gehört zum Staatsverständnis in Deutschland und spiegelt sich in den vielfältigen gesetzlichen Regelungen und Aktivitäten zum Opferschutz sowie den Entschädigungsleistungen wider.

Auch unter dem Eindruck mehrerer entsetzlicher Terroranschläge ist diese Hilfe weiter ausgebaut worden. Das soziale Entschädigungsrecht ist in das Sozialgesetzbuch aufgenommen worden und es löst zukünftig das Opferentschädigungsgesetz und das Bundesversorgungsgesetz ab, das 1950 geschaffen wurde, um Kriegsopfern zu helfen. Einige Neuregelungen greifen schon rückwirkend, wie etwa die Erhöhung der Waisenrente und des Bestattungsgeldes bei schädigungsbedingtem Tod.

Es gibt seit 2018 einen Bundesopferbeauftragten in Deutschland. Die meisten Länder haben mittlerweile ebenfalls Opferbeauftragte; seit 2021 auch Sachsen-Anhalt.

Wir haben in Sachsen-Anhalt eine vielfältige Landschaft von halbstaatlichen und nicht staatlichen Institutionen, die sich dem Opferschutz engagiert widmen. Die Landesopferbeauftragte ist für Betroffene und deren Angehörige in Fällen von Terrorismus und sonstigen auf Straftaten beruhenden Großschadensereignissen zentrale Ansprechpartnerin. Sie vernetzt die Akteure im Hilfesystem und unterstützt dadurch die Geschädigten und deren Angehörige. Sie ist damit vor allem ein Wegweiser, eine neutrale Lotsin für jeden Betroffenen, jede Betroffene.

Sehr geehrte Damen und Herren! In Ergänzung dieses sehr wichtigen Angebotes soll in Sachsen-Anhalt ein Opferhilfefonds gegründet werden, der als subsidiäre Hilfeleistung Opfern von Gewalttaten die Möglichkeit eröffnet, unbürokratisch Hilfe zu erlangen und Härtefälle auszugleichen. Der vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen untermauert das Anliegen und ist ein wichtiges Signal an die Gesellschaft; denn kein Opfer wird vergessen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erfahrung lehrt, es kann nicht gelingen, alle Eventualitäten vorbeugend aufzufangen und alle Konstellationen zu prognostizieren. Lassen Sie mich in diesem Kontext ein Beispiel nennen. In dem Prozess um den Attentäter von Halle tauchte plötzlich die Frage auf, wie mit den Reisekosten der für diesen Prozess so wichtigen Nebenkläger umzugehen war, die zu einem großen Teil aus dem Ausland anreisen mussten. Das war bislang gesetzlich nicht hinlänglich geregelt und der Bund fand eine Ad-hoc-Lösung zur finanziellen Entlastung der Betroffenen.

Anschließend wurde diese Lücke mit einer Richtlinienänderung auf der Bundesebene geschlossen. Daher ist es sinnvoll, mit einem Opferhilfefond auch auf der Landesebene ergänzende Unterstützung anzubieten, wenn andere Hilfesysteme nicht greifen. Damit stehen wir im Einklang mit dem Bundesopferbeauftragten.

Es hat sich gezeigt, dass die Bedürfnisse von Betroffenen schwerer Gewalttaten sehr breit gefächert sind und weitere finanzielle Hilfen notwendig sein können. Mit den geplanten Haushaltsmitteln in Höhe von 50 000 € für das Haushaltsjahr 2022 wollen wir einen Startpunkt setzen. Wir werden uns über die Ausgestaltung und die Detailfragen verständigen und im Ausschuss für Recht, Verfassung und Verbraucherschutz ausführlich dazu beraten. Ich nehme den hier vorliegenden Antrag, sollte er so beschlossen werden, gern als Arbeitsauftrag mit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)