Dr. Falko Grube (SPD):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema dieser Tage ist der Krieg in der Ukraine. Da schauen wir natürlich auf die Opfer in der Zivilbevölkerung, auf die Kriegsverbrechen der russischen Armee und auf die Debatte über die Waffenlieferungen, die heute gut entschieden worden ist.

Wir schauen aber auch auf die Folgen für uns, für unsere Bevölkerung hier in Deutschland. Wir schauen auf steigende Energiepreise, die Essen, Wohnen und Mobilität verteuern. Die Bundesregierung hat dazu verschiedene Entlastungen auf den Weg gebracht. Eine davon ist das 9-€-Ticket. Der Gedanke dahinter ist, den Menschen eine Alternative anzubieten, die nicht nur preiswert, sondern geradezu billig ist.

Für 27 € wird man drei Monate lang alle Angebote des ÖPNV nutzen können, deutschlandweit. Das ist billiger als eine Autofahrt von Magdeburg nach Berlin und zurück. Das, meine Damen und Herren, kann man preislich wirklich schlecht toppen.

Deshalb glaube ich, dass neben der Frage nach einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger das Ganze ein guter Feldversuch dafür ist, was denn geht beim Umstieg auf den ÖPNV, was denn geht bei der Verkehrswende, wenn man den Leuten ein Angebot macht, das man nicht abschlagen kann. Es wird nur mit einem besseren Angebot gehen, also mit mehr Quantität, aber auch mit mehr Qualität und mit vernünftigen Preisen. Dann kann man Leute dazu bringen, den ÖPNV stärker zu nutzen.

Dass das notwendig ist, liegt auf der Hand. Ich nenne die Stichworte Klimaschutz und Bewältigung des Klimawandels. Dazu hat sich diese Koalition genauso bekannt wie zum ÖPNV. Deshalb bringen wir heute diesen Antrag auf den Weg.

Was wollen wir? Erstens. Wir wollen das Azubi-Ticket evaluieren. Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Das Azubi-Ticket ist ein Erfolgsprojekt. Der Kollege Krüger hat das ausgeführt. Es hilft den Azubis in Sachsen-Anhalt während ihrer Ausbildung, vor allem beim Besuch der Berufsschulen, die für die einzelnen Ausbildungsgänge zum Teil nur einmal im ganzen Land vorhanden sind, sodass die Wege ewig weit sind.

Das Azubi-Ticket ist übrigens so erfolgreich, dass die Handwerkskammern beim leisesten Verdacht, das Ticket könnte im Haushalt 2022 verschwunden sein, Brandbriefe geschrieben haben. Die Panik war natürlich unbegründet. Das Azubi-Ticket stand schon im Haushaltsplanentwurf. Aber auch bei guten Sachen gibt es nichts, was man nicht besser machen kann. Im Politikbetrieb macht man dafür eine Evaluation, wir auch. Ich bin gespannt, wo das Verbesserungspotenzial schlummert.

Zweitens. Wir wollen ein 365-€-Ticket modellhaft erproben, einmal im ländlichen Raum, also in einem Landkreis, und einmal in einem Oberzentrum. Warum soll es diese beiden Modellregionen geben? Eigentlich liegt es auf der Hand. Der ÖPNV in der Stadt und auf dem Land sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Wenn man das seriös erproben will, muss man eben beides testen.

Im Koalitionsvertrag steht übrigens noch der Begriff 365-€-Ticket. Das soll es aus unserer Sicht am Anfang auch erst mal sein. Aber selbst bei ÖPNV-affinen Leuten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass bei einer Inflation von 7,4 % - das wurde heute aktuell gemeldet - 365 € auf Dauer wahrscheinlich eher illusorisch sind.

Zu den Alternativanträgen. Ich war ein bisschen überrascht, als ich die gelesen habe. Beide Anträge sind ein Beispiel dafür, wie sich die Opposition ziert, einem guten Antrag der Regierungsfraktionen zuzustimmen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Man muss es auch finanzieren können!)

Das habt ihr heute schon mal gemacht. Deswegen geht das nicht zweimal. Das habe ich verstanden.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Man muss es finanzieren können!)

Man schreibt das Ganze dann einfach um und packt einen anderen Briefkopf drauf. Ich will das auch gar nicht als Kritik sagen. Wir nehmen das als glattes Kompliment für unsere Arbeit hin, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition.

Aber zwei Punkte sind in den Anträgen doch anders. Dazu will ich noch kurz was sagen. Erstens komme ich zu der Sache mit den Regionalisierungsmitteln und der Zweckentfremdung. Ja, mich nervt es auch, dass 31 Millionen € für die Schülerverkehre den Regionalisierungsmitteln entnommen werden.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Seit Jahrzehnten!)

Immerhin haben wir das extra in das ÖPNV-Gesetz geschrieben.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ja!)

In jedem Jahr wird das im Finanzausschuss auch auf der Gesetzesgrundlage von den Finanzern wieder kassiert. Insofern ist es folgerichtig, dass das hier im Antrag steht. Aber an eines, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, will ich doch erinnern. Als ihr noch in der Regierung wart, war euer Finanzer einer dieser kaltherzigen Gesellen, die da den Rotstift angesetzt haben.

(Olaf Meister, GRÜNE: Was?)

Mal schauen, wie das in den nächsten Jahren so läuft.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Aber man muss immer wieder dran erinnern!)

Zum Antrag - das machen wir auch - der LINKEN. Nein, für uns ist das 365-Tage-Ticket kein Einstieg in die Kostenfreiheit. Ja, wir brauchen Modelle, die den ÖPNV preislich attraktiv machen. Aber wir brauchen vor allem mehr ÖPNV da, wo noch keiner ist. Man kann der einen Hälfte der Menschen in Sachsen-Anhalt, die keine vernünftige ÖPNV-Anbindung hat, schlecht sagen, dass das so bleibt, weil alles für die Gewährung der Kostenfreiheit für die andere Hälfte drauf geht.

Da bedarf es eines maßvollen Ausgleiches. Das 365-Tage-Ticket und das Azubi-Ticket sind zwei solche maßvollen Projekte; gut sind sie sowieso. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag und selbstredend um eine Ablehnung der Alternativanträge. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)