Ulrich Thomas (CDU): 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich bin erst einmal ganz froh, nachdem ich den Redebeitrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehört habe, dass wir heute nicht über Lastenfahrräder diskutieren, dass wir nicht über Lastenfahrräder als Alternative für Handwerker diskutieren, sondern dass sich auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute deutlich zum Automobil bekennt. 

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Merken Sie sich das!)

Das finde ich gut, Frau Lüddemann. Das ist ein Erkenntnisgewinn. Da haben Sie heute mehr von uns gelernt als wir von Ihnen. 

Meine Damen und Herren! Strukturwandel ist in Sachsen-Anhalt ein Begriff, der nicht gerade positiv besetzt ist. Wir alle kennen die frühen Neunzigerjahre, als wir von der sozialistischen Planwirtschaft in das kalte Wasser der sozialen Marktwirtschaft geworfen wurden. Da gab es Gewinner, da gab es Verlierer, aber es gab leider auch viele Sorgen, viel Not und manchmal auch Elend. Deshalb ist es schwierig, Strukturwandel positiv zu besetzen und zu begleiten. Genau deshalb wollen wir diesen Strukturwandel jetzt anders angehen als vor knapp 30 Jahren. Wir wollen als Politik sehen, wie und wo wir hier helfen können. 

Wir haben es schon von unserem Wirtschaftsminister gehört, der Süden des Landes steht vor einem immensen Strukturwandel, nämlich dem Ausstieg aus der Kohle. Das bedeutet, viele Firmen und Arbeitnehmer müssen sich neu orientieren, neu strukturieren. Genauso, wie wir den Süden des Landes im Blick haben, haben wir auch den Norden und den Westen im Blick, wo wir viele Zulieferer für die Automobilindustrie haben. Ich betone bewusst „Zulieferer“. Das finde ich wichtig in dieser Diskussion. Wir haben hier keinen Hersteller, wo das Auto fertig vom Band läuft. Unsere Zulieferer bauen das, was in Wolfsburg, in Leipzig oder jetzt auch in Grünheide nachgefragt wird. Da bestimmt die Nachfrage das Angebot, und da kann ich niemandem mehr raten, in ein neues Getriebe, in eine neue Kupplung zu investieren, wenn Herr Musk in Grünheide eine Tesla-Fabrik baut und Elektrobauteile braucht. Da helfen wir unseren Zulieferern. Das muss man erkennen und nüchtern zur Kenntnis nehmen, egal wie man das bewertet, ob ich lieber elektrisch oder mit einem Dieselmotor fahre.

Meine Damen und Herren! Wenn ich dann vor dem Hintergrund weiß, dass wir hier über mindestens 25 000 Arbeitnehmer sprechen, dann fragen die zu Recht: Wo liegt unsere Zukunft? Haben wir hier im Land eine Zukunft und, wenn ja, wie wird diese aussehen? Wir alle kennen die Diskussion gerade um das Auto. Was haben wir für Diskussionen geführt: Ein Schaltauto oder ein Automatikauto? Ein Benzinauto oder ein Dieselauto? Alle diese Diskussionen führte man, und heute führt man diese Diskussion auf vollkommen anderer Ebene, nämlich: Soll es ein Verbrennermotor oder soll es ein Elektroauto sein? Das entscheidet der Kunde.

Sicherlich kann man erbost darüber sein, dass Elektroautos so horrend subventioniert werden. Das ist immer eine Sorge, die man haben muss, wenn man Subventionen auf dem Markt vornimmt. Aber ich erinnere daran, auch das erste Auto mit Katalysator, als man die Autofahrer dazu gezwungen hat, bleifreies Benzin zu nehmen, wurde subventioniert. Also, ein Auto mit einer neuen Eigenschaft ohne Subvention auf den Markt zu bringen, scheint nicht so richtig zu funktionieren. 

Was aber funktioniert - auch das ist eine Entwicklung, der man sich, finde ich, nicht verschließen darf  , ist Folgendes: Jeder von uns fährt sein Auto und hat vielleicht eine gewisse Affinität zu dem Autotyp, den er fährt, ob er nun aus Wolfsburg kommt oder sonst woher. Die jungen Leute ticken vollkommen anders. Sie sagen, ich möchte ein Ding, das mich von A nach B bringt, und das möglichst bequem. Ich weiß, wovon ich rede. Ich mache nämlich seit 30 Jahren mit solchen Leuten die Ausbildung. Sie wollen auch gar kein Auto mehr haben. Sie wollen im Prinzip einsteigen, hinfahren und wieder aussteigen und das möglichst wie einen Mobilfunkvertrag als Abovertrag behandeln.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Carsharing heißt das!)

- Na ja, Carsharing ist wieder etwas anderes, Frau Lüddemann. Lesen Sie noch einmal nach, was Carsharing ist. Sie wollen schon ein eigenes Auto haben. Sie wollen es nicht teilen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Sie können davon ausgehen, dass ich das kenne!)

- Aber wenn Sie mich ausreden lassen - ich habe Ihnen ja auch zugehört  ,

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Na, wenn Sie solch infame Unterstellungen machen!)

dann will ich damit nur beschreiben, dieses Bewusstsein für Mobilität ist bei den jungen Leuten vollkommen anders ausgeprägt, als wir es kennen, womit wir groß geworden sind.

(Olaf Meister, GRÜNE: Hört, hört!)

- Ja, das muss man zur Kenntnis nehmen. Deswegen spielen die Elektroautos eine andere Rolle; denn ein Elektroauto kann ich abstellen. Ich kann es auch als Energiespeicher zu Hause verwenden. Damit habe ich durchaus Vorteile eines Elektroautos, die ein Verbrennerauto nicht hat. Der Markt wird zeigen, wo sich bestimmte Automobilkonzepte durchsetzen.

Bei den Nutzfahrzeugen habe ich meine Bedenken. Ich glaube nicht, dass der Landwirt künftig mit einem Elektrotraktor über den Acker rollt. Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir brauchen andere Technologien, bspw. Wasserstoff. 

Deswegen will ich deutlich sagen, weil es auch Bestandteil der Diskussion war: Dieser Antrag, auch wenn es nicht darin steht, schließt eine Technologieoffenheit in keiner Weise aus; ganz im Gegenteil. Das wollen wir. Wir wollen sehen: Welches Prinzip setzt sich am besten durch und mit welchem Prinzip haben wir die größten Zukunftschancen?

Wir wollen wir das tun? - Indem wir alle Beteiligten mitnehmen, indem wir die Beteiligten fragen. Ich staune wirklich über den einen oder anderen Redner hier, der statt im Landtag vielleicht besser in einem Automobilkonzern aufgehoben wäre bei dem Fachwissen, das er mitbringt, und bei der Entwicklung, die er voraussieht. Ich maße mir das nicht an. Ich nehme nur zur Kenntnis, was der Markt fordert, was sich um uns herum entwickelt. Deswegen sollten wir uns als Zulieferer darauf einstellen und genau das mit Forschung und Entwicklung unterstützen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Thomas. Es gibt zunächst eine Intervention von Herrn Lizureck und dann, falls Sie es zulassen, eine Frage von Herrn Gallert.


Ulrich Thomas (CDU): 

Sehr gern.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Sehr gern. Dann kann sich Herr Gallert darauf einstellen. - Jetzt zunächst Herr Lizureck, bitte.


Frank Otto Lizureck (AfD): 

Danke, für das Wort. - Ich möchte zum Meinungsbild folgenden Fakt dazu tun, und zwar sind es nicht ökologische Gründe, welche die Autokonzerne dazu bewegen, jetzt auf E-Mobilität umzustellen. Ein riesengroßer Teil der Wertschöpfungskette bleibt jetzt im Konzern. Damit ist das ein Schlag gegen den Mittelstand. - Das zum einen.

Zum anderen wird sich der Umsatz für die Autokonzerne erheblich erhöhen, verdoppeln, denke ich, weil die Laufleistung eines E-Autos nicht einmal die Hälfte eines konventionellen Wagens beträgt und damit auch die Nachfrage erhöht wird. 

Wenn wir dazu kommen, dann muss ich sagen, ist diese ganze Aktion E-Mobilität ein Schlag gegen die Umwelt. Warum? - Der größte Eingriff in die Natur und der größte Ausstoß an Schadstoffen erfolgt durch die Herstellung eines Kraftfahrzeuges, nicht durch den Betrieb. Eine ökologische Tat ist es, ein Kraftfahrzeug so lange zu nutzen, wie es irgendwie nur geht. - Danke schön.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Thomas, wollen Sie antworten? - Ja.

Ulrich Thomas (CDU): 

Also, wir können schon zur Kenntnis nehmen, die durchschnittliche Fahrleistung eines Pkw in Deutschland beträgt 15 000 km. Das ist ein Durchschnittswert. Deswegen würde ich    

(Zurufe von der AfD: Pro Jahr!)

- Pro Jahr, ja. Was habe ich eben gesagt?

(Matthias Lieschke, AfD: Durchschnittlich haben Sie gesagt!)

Pro Jahr 15 000 km. Also, das traue ich den Elektroautos, die ich so kenne, durchaus zu. 

Aber, wie gesagt, es ist keiner dazu gezwungen, so etwas zu bauen. Es ist jetzt entschieden, und man wird sehen, wie es sich durchsetzt. Ich bin aber bei Ihnen, entlang der Wertschöpfungskette wird es schwieriger, auch für die Werkstätten, auch für die Autohäuser, weil man viele Autos online kaufen kann. Sie fallen also weg aus diesen Ketten. 

Ich sehe aber auch neue Potenziale - auch die CDU sieht sie   in der Betreuung dieser Fahrzeuge: Dienstleistungen rund um dieses Fahrzeug, Updates freischalten, damit das Fahrzeug, wenn man noch ein bisschen weiter denkt, wenn wir beim autonomen Fahren sind, allein zur Ladesäule fährt. All das werden Felder sein, die man jetzt nur vermuten kann, auf denen sich eine hohe Wertschöpfung erzielen lassen wird, ähnlich Mobilfunkverträgen, bei denen auch das Angebot darum herum immer größer wird und womit richtig Geld verdient wird. Fragen Sie einmal Apple, womit sie mittlerweile ihr Geld verdienen. Es ist nicht nur das iPhone. Es sind auch die Sachen, die darum herum angeboten werden.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank. - Herr Gallert, bitte.


Wulf Gallert (DIE LINKE): 

Herr Thomas, nachdem ich vorhin noch gesagt habe, ich teile die Euphorie des Kollegen Meister nicht ganz, muss ich mich jetzt wirklich korrigieren, weil neben dem, was darin steht, haben Sie jetzt auch gesagt - ich finde das wirklich bemerkenswert; ich will es gar nicht ironisch abflachen  , dass es Ihre Erfahrung ist, gerade mit jüngeren Leuten, dass sozusagen das Statussymbol, ich habe ein Auto, bei denen gar nicht mehr im Vordergrund steht, sondern dass sie sagen, ich habe einen Mobilitätsbedarf, und den will ich befriedigt haben. Wie er befriedigt wird, das wird von denen sozusagen ganz anders gestaltet als unbedingt mit einem eigenen Auto. Das finde ich bemerkenswert; denn wenn Sie diese Erkenntnis haben, dann können Sie unserem Änderungsantrag doch sozusagen ohne jeden Zweifel zustimmen. 

(Lachen und Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen frage ich Sie einmal: Werden Sie das jetzt tun?


Ulrich Thomas (CDU): 

Kollege Gallert, ich bedanke mich für die Nachfrage; denn diese gibt mir die Möglichkeit - vielleicht war es missverständlich  , es noch einmal klarzustellen. 

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Nein, das war gut!)

Der junge Mensch entscheidet nicht: Fahre ich mit einem Elektroauto oder fahre ich mit einem Elektrobus? Er möchte schon sein eigenes Auto haben, aber welchen Typ er fährt, das ist ihm völlig egal. Sie werden die kollektive Mobilität, die Sie hier immer wieder einfordern, auf dem flachen Land nicht finden. Das ist dort nicht möglich und wird auf absehbare Zeit auch nicht möglich sein. Das können Sie vielleicht in Magdeburg und in Halle machen oder in Berlin, in Großräumen, aber auf dem flachen Land nicht. 

Mit der Erfahrung - das will ich noch hinzufügen   während der Coronapandemie, als man gesagt hat, nutzt bitte nicht öffentliche Verkehrsmittel, das ist viel zu gefährlich, sollten wir alle noch einmal überlegen, wie wir uns künftig auf solche Sachen vorbereiten, und sollten dem Einzelnen die persönliche Mobilität nicht vorschreiben, sondern jeden selber darüber entscheiden lassen, wie wir auch jeden darüber entscheiden lassen, welchen Autotyp er fahren möchte. Das ist die soziale Marktwirtschaft, für die wir stehen.