Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Vielen Dank. - Es ist ja ein bisschen spannend, dass wir in einem Landtag eines Landes, in dem wir ausschließlich kleine und mittelständische Unternehmen haben, wieder von den großen bösen Konzernen sprechen. Ich bin eigentlich eher der Meinung, dass wir ein bisschen auf die Unternehmensstruktur in unserem Land achten sollten.

(Zustimmung bei der CDU)

Nichtsdestotrotz: Das, was die LINKE hier als Antrag vorlegt, das greift schon den einen oder anderen Punkt auf, der im Moment für die Menschen auch in Sachsen-Anhalt und auch für Unternehmen natürlich spürbare Probleme bringt.

Allerdings sind die im Antrag geforderten Maßnahmen in weiten Teilen bereits in die Wege geleitet worden oder nicht zielführend. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht will ich eingangs darauf hinweisen, dass Schnellschüsse, die am eigentlichen Thema vorbeigehen, vermieden werden sollten, auch wenn es richtig ist, dass das Wettbewerbsrecht ins Auge gefasst werden sollte.

Die Eigentumsgarantie unseres Grundgesetzes erlaubt nur in eingeschränktem Maße staatliche Eingriffe,

(Zustimmung bei der CDU)

- was ich übrigens richtig finde - in die Wirtschaft oder in deren Preisbildung. Diese Eingriffe haben sich immer am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu orientieren und sind regelmäßig entschädigungspflichtig.

Vor diesem Hintergrund hat unser Staat in den aktuellen Krisen erhebliche Ausgleichsleistungen erbringen müssen. Das haben wir in den letzten zwei Jahren sehr intensiv erlebt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Zuge der aktuellen Novelle zum Energiesicherungsrecht als Teilaspekt das scharfe wettbewerbsrechtliche Schwert des § 29 GWG um weitere fünf Jahre verlängert werden soll. Insoweit sind die im Antrag geforderten wettbewerbsrechtlichen Maßnahmen bereits auf einem guten Weg.

Für die Rechtfertigung von Eingriffen muss hier allerdings wettbewerbswidriges Verhalten des konkreten Unternehmens hinzukommen. Daran könnten es hier definitiv Zweifel geben. So werden etwa beim Erdgas die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Wesentlichen von den Importpreisen geprägt.

Ferner ist der Gaspreis für Endkunden mit weiteren staatlichen Lasten wie Konzessionsabgaben, Energiesteuern, der Mehrwertsteuer und seit dem Jahr 2021 mit der CO2-Abgabe belegt. Im Hinblick auf die Preisbildung im Kraftstoffsektor ist zu berücksichtigen, dass die Importpreise regelmäßig vom Spotmarkt getragen werden.

Die Weitergabe dortiger realer Preissteigerungen stellt keinen Missbrauch dar. Folglich können solche Preissteigerungen auch nicht Gegenstand aufzugreifender Wettbewerbsverstöße sein. In vielen anderen Wirtschaftssektoren wirkt Kraftstoff real verteuernd, sei es aufgrund verteuerten Kraftstoffes für den Lkw-Transport oder sei es aufgrund gestiegener Personalkosten, etwa wegen der infolge des Krieges in der Ukraine ausgefallenen oft ausländischen Kraftfahrer.

Soweit somit keine wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen vorliegen, sind wettbewerbsrechtliche Eingriffe ausgeschlossen. Ein funktionierender Wettbewerb ist der beste Schutz vor überhöhten Preisen. Soweit allerdings die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere steigende Preise für Primärenergieträger, sachliche Gründe bieten, können weder ein funktionierender Wettbewerb noch die Einführung einer Preisaufsicht etwas an diesen Preissteigerungen für die Versorgung der Haushaltskunden mit Niederspannung, mit Erdgas oder auch mit Kraftstoffen ändern.

Schließlich bedarf es zum Abschöpfen von wettbewerbswidrigen Einnahmen auch keiner neuen Vorschrift. Diese besteht im Wettbewerbsrecht bereits. Die bereits vorhandenen Instrumente ermöglichen das Eingreifen mit notwendigen Maßnahmen. So beabsichtigt etwa das Bundeskartellamt laut einer Pressemitteilung vom 12. April dieses Jahres, eine Ad-hoc-Sektoruntersuchung mit klarem Fokus auf die Raffinerie- und Großhandelsebenen einzuleiten. Das Ziel ist es insbesondere, die Gründe für die jüngsten Markt- und Preisentwicklungen auszuleuchten.

Zugleich wird die Markttransparenzstelle gestärkt. Dies würde es unter anderem ermöglichen, die Wettbewerbsverhältnisse auf die Ebene der Tankstellen besser beurteilen zu können. Die Bundesregierung hat ferner im Rahmen des Osterpaketes ein Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes vorgelegt. Dabei werden unter anderem die Rechte der Kunden auf angemessene Tarife in der Grundversorgung sowie die Rechte der Bundesnetzagentur bei der Aufsicht gegenüber den Energielieferanten gestärkt. Mehr Transparenz ist hier ein probates Mittel.

Die Forderung nach einer Abschöpfung von bislang aufgelaufenen Gewinnen, also die Erhebung einer Ergänzungsabgabe zur Körperschaftsteuer, ist in wirtschaftspolitischer Hinsicht total verfehlt.

(Zustimmung bei der FDP)

Etwaige Mehrgewinne bei den betroffenen Unternehmen unterliegen bereits der Ertragsbesteuerung. Darüber hinaus entstehen Abgrenzungsprobleme und es entstünde bei Einführung ein Präzedenzfall. All das stellt einen schwer kalkulierbaren Weg bei der Besteuerung dar, der zu einer erheblichen Verunsicherung der Unternehmen, zu zusätzlichen Steuerbelastungen und zu mehr Bürokratie führen würde. Dies wäre der Attraktivität unseres Standortes Deutschland abträglich.

Die ohnehin hohen Gaspreise wurden in diesem Winter weiter befeuert. Das darf nicht weiter passieren. Auch die Bundesregierung hat das erkannt. Es liegt bereits ein Referentenentwurf zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes vor, der die treuhänderische Verwaltung von Unternehmen und sogar als Ultima Ratio eine Enteignung auch auf eine energierechtliche Basis stellt.

Meine Damen und Herren! Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Antrag in den überwiegenden Teilen obsolet ist. Ich begrüße daher den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt zwei Fragen, zunächst von Herrn Gebhardt und dann von Herrn Gallert. - Bitte.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass ein Eingriff des Staates laut Grundgesetz hier nur in bestimmten Ausnahmefällen möglich ist. Nun hat Frau Eisenreich dargestellt, wie sich Preise im Benzin-, im Öl- und im Gasbereich für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher entwickelt haben. Deshalb lautet meine erste Frage: Ab welcher Preisentwicklung halten Sie denn, wenn Sie sagen, die Ausnahmen müssen streng limitiert sein, Ausnahmen für möglich und auch für notwendig?

(Guido Heuer, CDU: Das hat er gesagt!)

Muss es denn aus Ihrer Sicht noch weiter nach oben gehen?

Das Zweite ist: In der Begründung unseres Antrages haben wir ausdrücklich den ADAC-Präsidenten Herrn Hillebrand zitiert. Herr Hillebrand ist nun aus meiner Sicht frei von jeglichem Vorwurf, irgendwie sozialistisches Gedankengut zu pflegen.

(Zuruf von der FDP: Na ja, na ja!)

Nun hat er aber auch geäußert, dass die Kraftstoffpreise künstlich hochgehalten werden. Wenn selbst der ADAC-Präsident zu dieser Auffassung kommt, würden Sie sich als CDU-Minister dieser Auffassung dann auch anschließen?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Schulze, bitte.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Lieber Kollege Gebhardt, das ist natürlich eine schöne Fangfrage. Fakt ist, ich habe Ihnen zu Beginn meiner Rede - wenn Sie zugehört haben, werden Sie es gehört haben - auch an einer Stelle zugestimmt. Das fällt mir bei Ihnen manchmal schwer. Aber an der Stelle hatten Sie recht. Das ist natürlich eine Belastung sowohl für die Unternehmen als für die Bürger.

Fakt ist aber auch - ich habe der Rede Ihrer Kollegin sehr aufmerksam gelauscht -, das war eine Rede, die ausschließlich darauf abzielte, dass man sagt, die bösen Unternehmen wären wieder an allem schuld. - Das ist nicht so.

Der zweite Punkt ist: Die zahlen auch jetzt schon Steuern. Der Fakt ist doch, der jetzt hier kommt     Wenn Sie fragen, ab welcher Höhe, dann sage ich Folgendes: Wir haben doch - das habe ich in meiner Rede auch erläutert - genug Mechanismen auf der Bundesebene. Die Bundesebene, nicht das Land Sachsen-Anhalt, ist die zuständige Ebene, die sich darum kümmert

(Zustimmung bei der CDU)

und die entsprechend aufgefordert ist. Da lobe ich an der Stelle, wenn es erlaubt ist, auch mal die Bundesregierung, weil sie an der Stelle aus meiner Sicht vernünftig gehandelt hat.

(Zustimmung bei der FDP)

Wie gesagt: Im Rahmen dessen, was möglich ist, werden wir das jetzt nicht zu doll loben. Ein bisschen werden wir das auch kontrollieren. Da können Sie von mir hier nicht verlangen - das werde ich auch nicht tun - zu sagen, ab einer Summe X. Das ist eine Fangfrage,

(Zuruf von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)

auf die ich nicht eingehen werden, Herr Gebhardt.

(Zuruf von Stefan Gebhardt, DIE LINKE)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Gallert. - Herr Gebhardt, jetzt kein Zwiegespräch. - Jetzt kommt Herr Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Dann nehmen wir jetzt zur Kenntnis, dass der Wirtschaftsminister dieses Landes sagt, alles, was bisher auf der Bundesebene passiert, reicht aus. Dazu sage ich jetzt mal: Ein Blick auf die Preise an der Tankstelle hat bei mir einen anderen Eindruck hinterlassen.

(Unruhe bei der CDU)

Ich habe aber eine andere Frage. Und zwar haben Sie in Ihrem Vortrag ausdrücklich auf die Marktorientierung bzw. auf die Marktpreisbildung gesetzt. Die Übergewinne oder die, wie Herr Habeck sagt, Kriegsgewinne bei Energiekonzernen spielen in Ihren Überlegungen offensichtlich keine Rolle.

Aber es gibt ein viel weitergehendes Konzept, und zwar vom Verband der Chemischen Industrie. Der Verband sagt: Der Staat muss der chemischen Industrie einen staatlich garantierten Höchstpreis für Energie von 4 Cent/kWh garantieren, zumindest in all den Bereichen, die auf dem internationalen Markt auf Konkurrenz stoßen. Das ist nun sozusagen das komplette Gegenteil Ihrer Marktstrategie, die Sie gerade artikuliert haben.

Frage von mir: Lehnen Sie das Konzept des VCI ab oder stimmen Sie dem zu?


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Herr Schulze, bitte.


Sven Schulze (Minister für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten):

Herr Gallert, ich schätze Sie sehr auch als Gesprächspartner im entsprechenden Ausschuss. Deswegen weiß ich, dass Sie meiner Rede gut zugehört haben und Ihre Aussage bezüglich der Bundesregierung bewusst getätigt haben. Ich habe dies nicht so gesagt. Ich habe gesagt, dass das, was die Bundesregierung eingeleitet hat, ein vernünftiges Mittel ist. Ich habe nicht gesagt, dass das alles ist, was man machen kann. Ich habe darauf hingewiesen, dass das Bundeskartellamt   das können Sie auch nachlesen in dem ausführlichen Bericht vom 12. April   eine Sektoruntersuchung eingeleitet hat. Das ist der richtige Weg, nicht das, was die eine oder andere Partei gern hätte. Wir haben dafür entsprechende unabhängige Stellen und diese haben das auch entsprechend umzusetzen.

Was einzelne Interessensvertreter, mit denen ich auch sehr intensiv im Gespräch bin, aus Ihrer Sicht an der einen oder anderen Stelle vortragen, nehme ich durchaus zur Kenntnis, bin aber an dieser Stelle ehrlich gesagt nicht bereit     Das ist nämlich nicht alles gewesen, was der VCI gesagt hat; das ging noch sehr umfangreich weiter. Sie waren auch bei uns im Ausschuss und ich habe mich mit ihnen auch im Nachgang getroffen. Im Übrigen habe ich mit ihnen, zumindest mit der Ostchemie, eine größere Runde vereinbart. Ich nehme das durchaus ernst, werde mich aber hier nicht zu einzelnen Pressemitteilungen von Interessensvertretern äußern. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)