Wulf Gallert (DIE LINKE):

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der letzte Tagesordnungspunkt unserer Sitzung ist ein von vornherein auf Kontroversität angelegter, allerdings auch eine in der Sache ziemlich schwierige Geschichte.

Ich habe ja auch ein gewisses emotionales Verständnis für den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die eigene Begeisterung in der Fraktion scheint abzuflauen; ich sehe das an der Zahl der Abgeordneten.

(Zuruf von Olaf Meister, GRÜNE)

Ich verstehe das. Das geht meiner Partei häufig auch so: Wir haben es immer sagt; wir waren immer die einzigen, die Recht hatten, und keiner dankt es uns, wenn es dann eintritt.

(Zuruf von der CDU)

Da kann man auch einen solchen Antrag stellen. Wie gesagt, ich verstehe das. Aber das macht einen nicht beliebter.

(Lachen und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das sind eigene Erfahrungen und die kann ich sozusagen an der Stelle schon mal sehen.

Das Problem ist: Dahinter steckt doch eine ganz ernste Auseinandersetzung. Ich hätte es wirklich gern einmal - auch für dieses Haus  , dass wir dieses Problem, das dahintersteht, ein wenig differenzierter und ernster bereden. Das ist eben differenzierter und ernster. Natürlich finde ich bei jeder Partei irgendeine Position, auf die ich hier mit Freude draufhauen kann. Ich sage ausdrücklich: Bei dieser Diskussion um Nord Stream 2     Mir sind bei dem Vortrag von Frau Lüddemann schon zwei Argumente aufgefallen, die sich gegenseitig widersprechen; das macht das eigentliche Problem deutlich.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Ach Gott!)

Auf der einen Seite ist gesagt worden - das war völlig richtig -: Selbst für die maximale Durchleitungskapazität, die man von Russland nach Europa brauchte, war Nord Stream 2 überhaupt nicht erforderlich. Alle bisher bestehenden Erdgasleitungen hätten selbst bei einer wesentlichen Steigerung der Menge alles abfangen können. Dafür war Nord Stream 2 nicht nötig.

Der nächste Satz ist dann aber, dass wir durch den Bau von Nord Stream 2 - übrigens ohne einen Cent deutscher Steuergelder; völliger Blödsinn - unsere Abhängigkeit von russischem Gas erhöht hätten. Ja, wieso? Die Russen haben die Infrastruktur gebaut, ohne einen Cent von uns zu bekommen.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Weil die Politik sich darauf verlassen hat!)

Die Kapazitätserweiterung war überhaupt nicht nötig. Natürlich haben wir dadurch unsere Abhängigkeit nicht erhöht. Ob das Gas nun durch die Ukraine fließt oder durch die Nordsee,

(Guido Kosmehl, FDP: Ostsee!)

ist sozusagen für den Abnehmer erst mal relativ uninteressant. Allerdings geopolitisch war es nicht uninteressant, das stimmt.

Ich will ein letztes Argument aus der Debatte bringen. Als wir das erste Mal auf Initiative der GRÜNEN über Nord Stream 2 gesprochen haben - das war im Oktober 2020 -, war die Einflugschneise von Dorothea Frederking die Verfolgung und die Vergiftung von Nawalny. Das war der Grund zu sagen: kein Nord Stream 2. Auf keinen Fall dürfe man von einer solchen Diktatur Gas kaufen.

Jetzt kommt die Debatte darüber, dass der Habeck nach Katar reist. Natürlich ist Katar nicht einen Deut, besser als Russland es damals war. Übrigens: Mit diesem Geld wird nicht nur der Krieg im Jemen finanziert, sondern werden auch die Dschihadisten in Mali finanziert, wegen derer die Bundeswehr in der Minusma-Mission dort unten ist. So einfach ist das alles nicht.

Werfe ich das den GRÜNEN vor? Nein, ich werfe es ihnen nicht; weil Habeck unter den bestimmten Bedingungen gar keine andere Alternative hat, als das zu machen.

(Zurufe von der AfD)

Das ist so, weil wir es jetzt nicht nur mit einer Diktatur oder einer Autokratie und Menschenrechtsverletzungen zu tun haben wie im Jemen, sondern wir haben es mit einem Aggressor zu tun, und zwar einem Aggressor, der mit Atomwaffen droht. Von dem kann man in Zukunft kein Gas kaufen. Deswegen werfe ich das Habeck jetzt nicht vor. Ich hätte mir nur gewünscht, dass damals die GRÜNEN auch ein bisschen differenzierter argumentiert hätten; denn das ist das Problem, das sie haben.

Ich weiß, ich bin am Ende meiner Redezeit.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Eine Minute noch!)

Ich habe nur noch eine einzige Geschichte; das sage ich noch ausdrücklich -

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Noch ein Satz!)

- fast ein Satz! -, und zwar bezieht sie sich auf die Begründung des Alternativantrages der Koalition. Ich bitte, historisch ein bisschen genauer zu sein. Dort steht: „Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist das schwerste Verbrechen gegen den Frieden in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges.“

Eine solche Aussage ist gefährlich. Wir hatten einen Krieg in Jugoslawien mit mehr als Hunderttausend Toten in Bosnien.

(Beifall bei der LINKEN und bei der AfD)

Das darf man auch in diesen Zeiten nicht vergessen. Deshalb bitte ich um mehr Sorgfalt. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)