Franziska Weidinger (Ministerin für Justiz und Verbraucherschutz):

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das externe Weisungsrecht ist bundesgesetzlich geregelt. nach § 146 in Verbindung mit § 147 Nr. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes steht der Landesjustizverwaltung das Recht der Aufsicht und Leitung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes zu.

Die Forderung nach einer Abschaffung des externen Weisungsrechts ist wiederholt Gegenstand der rechtspolitischen Diskussionen gewesen. Ich sehe im Gleichklang mit zahlreichen Landesjustizverwaltungen keine Notwendigkeit, darauf hinzuwirken, das bundesgesetzlich verankerte externe Weisungsrecht im Einzelfall abzuschaffen. Insoweit möchte ich dies mit den hier bereits im Jahr 2017 vorgetragenen Gründen bekräftigen.

Erstens. Völlige Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit garantiert die Verfassung, unser Grundgesetz, nur Richterinnen und Richtern.

Zweitens. Das Grundgesetz unterwirft die Regierungstätigkeit einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle. Das externe Weisungsrecht ist damit Spiegelbild des in der Verfassung angelegten Prinzips der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung für die Strafverfolgung.

Drittens. Das externe Weisungsrecht ist streng gesetzlichen Grenzen unterworfen. Es wird durch das Legalitätsprinzip und die Bindung an Recht und Gesetz begrenzt. Jede willkürliche oder auch nur sachfremde externe Weisung im Einzelfall ist nach geltendem Recht ausgeschlossen. Und die bewusste Überschreitung der rechtlichen Grenzen ist strafbar, sei es als Verfolgung Unschuldiger oder als Strafvereitelung im Amt.

Die rechtspolitische Diskussion zum externen Weisungsrecht hat durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erneut Auftrieb erhalten. Der Europäische Gerichtshof hat im Mai 2019 entschieden, dass die deutschen Staatsanwaltschaften auf Grund des externen Weisungsrechts der Justizminister keine unabhängige Justizbehörde im Sinne des Artikel 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl sind.

Im Urteil aus dem November 2020 hat der EuGH diese Linie fortgesetzt. Ob und in welchem Umfang sich daraus gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt, bedarf weiterer eingehender Bewertungen. Im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene ist, worauf der Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingegangen ist, eine Anpassung an die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofs vereinbart worden. Er sieht keine Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts im Einzelfall vor.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Im Rahmen der Beteiligung der Landesjustizverwaltungen sowie im Gesetzgebungsverfahren wird sich die Landesregierung einbringen. Ich nehme diesen Prüfauftrag der regierungstragenden Fraktionen daher selbstverständlich mit.

Und zum Alternativantrag der LINKEN sei mir noch Folgendes erlaubt: In den letzten Jahren war das Thema einer noch stärkeren Unabhängigkeit der Justiz insgesamt aus guten Gründen in der rechtspolitischen Diskussion von eher untergeordneter Bedeutung. Weder das Gewaltenteilungsprinzip, noch die Unabhängigkeit der Richter erfordern die Einführung einer Selbstverwaltung der Justiz insgesamt. Gegen eine völlige Autonomie der Justiz spricht bereits, dass das Grundgesetz vielmehr vorsieht, dass sich die drei Gewalten eben gegenseitig kontrollieren und begrenzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ausführen und aus unionsrechtlicher Sicht hervorheben, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht die Frage der tatsächlichen Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften betraf, sie betraf nur die Gefahr, dass Staatsanwaltschaften eines Mitgliedsstaates bei der Entscheidung über die Ausstellung des Europäischen Haftbefehls Anordnung oder Einzelzuweisung seitens der Exekutive ausgesetzt sein können. Ein tatsächlicher Befund zur Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften war aber damit nicht verbunden.  Vielen Dank.