Olaf Meister (GRÜNE):

Danke, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD beantragt hier mit sieben Punkten ein landesweites Pilotprojekt zur Nachwuchsgewinnung und schafft es tatsächlich in keinem der sieben Punkte anzugeben, was Inhalt des Pilotprojektes sein soll.

(Wolfgang Aldag, GRÜNE: Ja!)

Erst zum Ende der Begründung   die Spannung wird ins Unermessliche gesteigert  , wird die Magdeburger Handwerksmesse „Handwerk4You“ erwähnt. Sie ist tatsächlich gut. Ich war in den letzten Jahren regelmäßig dort zu Gast. Sie findet aber, organisiert durch die Handelskammer Magdeburg, nun schon statt.

Was soll das Land jetzt tun? Die Magdeburger Initiative zwangsweise in der Kammer in Halle zu verorten, ist eine Idee, die in Halle vielleicht nur so mittelgut ankommt, könnte ich mir vorstellen. Halle hat mit „Hände hoch fürs Handwerk“   Herr Keindorf ist darauf eingegangen   eine eigene ganz ähnliche Initiative, und es gibt viele weitere.

Der Nachwuchsmangel im Handwerk ist ein schwerwiegendes strukturelles Problem und im Kern eben keine Frage des Marketings. Wir haben drei Problemkreise: Der erste ist der demografische Wandel an sich, der sich im Handwerk wie auch in anderen Branchen niederschlägt. Dabei spielen Fragen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine Rolle, aber auch die Abwanderung junger Frauen. Wenn wir das weiterdenken, sind wir ruckzuck bei der Frage der Berücksichtigung spezifischer Belange von Frauen. Wenn man mit solchen Punkten kommt, ist die AfD sofort wieder beim Genderwahn.

Was das Handwerk ebenfalls betrifft, ist z. B. die Frage, Handwerksberufe für das andere Geschlecht, das nicht so sehr mit einem Handwerksberuf verbunden wird, zu öffnen. Dort viel offener zu sein ist ein wichtiger Schritt. Auch dabei ist die AfD nicht aufseiten derer, die eine Lösung vorantreiben.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Ein zweiter Punkt ist die Zuwanderung. Natürlich spielt Zuwanderung eine Rolle; ich wage es kaum anzusprechen. Dabei ist die AfD in keiner Weise hilfreich, und sogar ukrainische Flüchtlinge werden angegangen.

(Zuruf von Oliver Kirchner, AfD)

Ein dritter Problemkreis ist das Schulsystem an sich. Wir haben   Kollege Lippmann ist darauf eingegangen   die im Bundesvergleich höchste Schulabbrecherquote. Das ist natürlich ganz dramatisch, auch für diese Frage. Dem müsste man begegnen. Schulsozialarbeit ist ebenfalls ein Thema. Die AfD ist nicht dafür, obwohl wir uns dafür einzusetzen.

Einen weiteren Punkt umschreiben Sie mit „Akademisierungswahn“. Wir haben ein Schulsystem, das in der 4. Klasse, also wenn die Kinder neun oder zehn Jahre alt sind, von den Eltern die Entscheidung verlangt, welchen Weg das Kind gehen soll, Hochschule oder Handwerk. Das ist sehr früh. Wir haben im Ergebnis die Situation, dass die Eltern häufig sagen, im Zweifel macht unser Kind das Abi. Das ist eine sehr frühe Entscheidung und wirkt total negativ. Die AfD ist hier wieder auf der falschen Seite.

Der nächste Problemkreis lautet: Attraktivität und Wertschätzung steigern. Eine gesellschaftliche Wertschätzung für das Handwerk als gleich- und vollwertige Karriere muss das Ziel sein. Das ist ebenfalls etwas, das man bearbeiten muss. Die Berufsorientierung an Gymnasien ist z. B. ein Thema, das wir in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben.

Als letzten Punkt möchte ich noch anführen: Zur Steigerung der Attraktivität bereits einiges passiert: Praktikumsprämie, Azubi-Ticket, Bildungsketten und Meistergründungsprämie. - Sie sehen: ganz viele Probleme, ganz dicke Bretter. Der AfD-Antrag macht schlicht das mit den Fähnchen. Er sollte abgelehnt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Meister, es gibt noch eine Frage von Herrn Lieschke. Wollen Sie sie beantworten?


Olaf Meister (GRÜNE):

Ja.

Vizepräsident Wulf Gallert:

Er will sie beantworten. Herr Lieschke, das gibt Ihnen die Chance, sie zu stellen.


Matthias Lieschke (AfD):

Herr Meister, gerade aus Ihren Reihen kommen regelmäßig Angriffe gegen uns nach dem Motto: Wir schaffen es in jedem Punkt, auf Flüchtlinge bzw. Asylbewerber zu kommen. Heute haben Sie den Vogel abgeschossen, heute haben Sie es geschafft; denn im Antrag steht kein Wort von Flüchtlingen
oder Asylbewerbern.

(Sebastian Striegel, GRÜNE: Aber wenn Sie den Nachwuchs regeln wollen, müssen Sie über Zuwanderung reden!)

Wir möchten, dass die Ausbildungsquote im Handwerk steigt, darum geht es letztendlich. Wie kommen Sie darauf, dass wir unterscheiden, wer Auszubildender bzw. Lehrling werden soll? Wie kommen Sie darauf? Der Antrag umfasst alle; damit sind alle gemeint. Damit würde die Gleichberechtigung in Ihrem Sinne erfolgt sein. Wie kommen Sie darauf, dass wir Unterschiede zwischen Asylbewerbern, anerkannten Flüchtlingen oder irgendetwas machen? Das verstehe ich gerade nicht.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Olaf Meister (GRÜNE):

Im Antrag geht es, wenn ich es richtig verstanden habe, um Nachwuchsmangel. Dabei gibt es verschiedene Problemkreise. Ich habe versucht, diese in den drei Minuten, die ich hatte, ein bisschen anzureißen. Der demografische Wandel ist das zentrale Problem. Diesen demografischen Wandel kann man an verschiedenen Punkten angehen. Ich habe verschiedene Punkte angesprochen. Ein Detail ist dabei auch die Zuwanderung. Diesbezüglich habe ich Ihre Partei bisher nicht als eine Partei erlebt, die dem offen gegenübersteht und bereit ist    

(Tobias Rausch, AfD: Doch! Doch! Qualifizierte Zuwanderung!)

- Ja. Satire ist meine Aufgabe.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zuruf von Tobias Rausch, AfD)

Ich habe das tatsächlich nicht erlebt. Herr Kirchner, Sie können mich mit einem Kurswechsel Ihrer Partei überraschen. Bisher ist es aber so, dass tatsächlich    

(Tobias Rausch, AfD: Das ist schon immer so! - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Rausch, Herr Lieschke hat Herrn Meister eine Frage gestellt. Herr Meister versucht zu antworten. Wenn Sie ein Problem damit haben,

(Tobias Rausch, AfD: Ja, habe ich! Das geht mir auf den Sack!)

dann besprechen Sie das mit Herrn Lieschke. Dann soll er Herrn Meister keine Frage stellen, sodass dieser nicht zu antworten braucht. Aber jetzt soll er das machen und jetzt bekommt er auch die Chance dazu. - Bitte.


Olaf Meister (GRÜNE):

Wenn die AfD-Fraktion so einen Antrag stellt, dann spreche ich das vor diesem Hintergrund natürlich als Problem an. Das ist ein Widerspruch, den Sie in Ihrer politischen Darstellung haben. Es würde mich sehr freuen, wenn die AfD das aufgeben würde. Denn natürlich gehört eine solche Frage in eine derartige Diskussion. Darüber muss man dann auch offen sprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Jetzt haben Sie noch zehn Sekunden für eine Nachfrage, Herr Lieschke. Ich habe die Zeit gestoppt.


Matthias Lieschke (AfD):

Sie müssen mir auch zustimmen, dass wir darüber im Wirtschaftsausschuss treffend diskutieren können.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Wenn Sie wollen, können Sie jetzt gern noch einmal kurz antworten.


Olaf Meister (GRÜNE):

Ich habe schon gehört, dass die Koalition den Antrag dorthin überwiesen haben will. Wir haben ihn nicht für ausreichen fundiert erachtet, um ihn zu überweisen. Wir werden also die Überweisung ablehnen.

(Tobias Rausch, AfD: Ja, Ideologie ist das!)

An der Diskussion werden wir uns dann natürlich beteiligen.