Olaf Meister (GRÜNE): 

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die aktuelle wirtschaftliche Situation ist tatsächlich ernst. Sie ist von einer beginnenden Stagflation geprägt. Durch äußere Einflüsse kommt es zu einer deutlich anziehenden Inflation. Zugleich könnte die wirtschaftliche Entwicklung stagnieren. Die Folgen wären bzw. sind stark steigende Preise bei gleichzeitig einbrechender Wirtschaft mit all den ernsten Folgeproblemen, insbesondere im sozialen Bereich. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und komplex, was die unangenehme Folge hat, dass eine einfache Lösung nicht ohne Weiteres gegeben ist. Die Panik, die Herr Siegmund hier genüsslich kommuniziert, ist ebenfalls wenig hilfreich.

(Zuruf: Genüsslich?)

- Doch, im Grunde schon; das war genüsslich.

Grundlegende Ursachen bestanden bereits vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Die lange Niedrigzinsphase ist angesprochen worden, die Pandemiefolgen, ein deutliches Anziehen der Wirtschaft trotz Rohstoffknappheit und beeinträchtigter Lieferketten, stark steigende Energiepreise aufgrund außenpolitischer Spannungen, Mangel an Fachkräften   das ist insbesondere bei uns ein Thema   und auch fehlende Nachhaltigkeit. Etwas, das bei Herrn Siegmund typisch war, ist dieses Aufbauen eines Popanzes. Es war dieses: Die anderen belügen uns; die sagen, das wäre mit dem Ukrainekrieg losgegangen! 

(Ulrich Siegmund, AfD, lacht) 

Jetzt hat wirklich jede Rednerin und jeder Redner, der hier bisher vorgetragen hat, genau diese Punkte als Ereignisse aufgeführt, die bereits vor dem Krieg lagen. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotzdem bringt die AfD genau dieses Argument. 

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Elrid Pasbrig, SPD) 

Ich möchte nur darauf hinweisen: Auch so funktioniert Populismus; so macht man das. 

Durch den Kriegsbeginn verschlimmerte sich die Situation sowohl bei den unterbrochenen Lieferketten als auch bei den Energiepreisen. All das führt zu steigenden Preisen. Dadurch, aber auch schlicht durch die Knappheit bei bestimmten Rohstoffen ergeben sich ernste wirtschaftliche Einschränkungen. 

Die Sanktionen haben eine völlig untergeordnete Bedeutung, wenn sie jenseits der Energie sind. Energie ist für uns tatsächlich sehr ernst. Ansonsten sind die Sanktionen aufgrund des sehr kleinen russischen Marktes   von der Wirtschaftskraft her haben die etwa die Größe Spaniens   für die europäische Wirtschaft tatsächlich nicht sehr entscheidend. Wir hatten im Wirtschaftsausschuss eine Debatte dazu: Gibt es denn Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die von den Russlandsanktionen betroffen sind? 

(Guido Kosmehl, FDP: Ja!) 

Da konnte uns kein Beispiel genannt werden.

(Tobias Rausch, AfD: Was?)

- Ich war im Ausschuss dabei, Sie nicht. So war die Diskussion.

(Zurufe von der AfD)

- Sie können ja gern Beispiele nennen. 

(Tobias Rausch, AfD: Was ist denn mit Barleben? - Weitere Zurufe von der AfD) 

Diese Situation liegt nur bedingt in unserer Hand.

(Tobias Rausch, AfD Was ist denn das für ein Schwachsinn?) 

- Na, sagen Sie mal! Beruhigen Sie sich.

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD) 

Sie wird auch überwunden; das wird aber dauern. 

(Zuruf von Tobias Rausch, AfD 

Im Verhältnis zu dem Leid der Menschen in der Ukraine sind die Auswirkungen bei uns geradezu gering, was uns moralisch zur Hilfe verpflichtet. Dort werden täglich Menschen getötet, ermordet, ihre Häuser und Ortschaften werden verwüstet. Ernste Probleme gibt es auch in den Entwicklungsländern; Frau Pasbrig ging darauf ein, dass dort Hilfen nötig sind. Dagegen sind unsere Probleme banal. 

Die leeren Regale, von denen die AfD spricht, sind für die Endverbraucher aktuell eher eine Randerscheinung 

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Wolfgang Aldag, GRÜNE) 

und resultieren nicht aus einem Mangel, sondern aus einer durch Hamsterkäufe überlasteten Logistik. Im Baubereich und in anderen Teilen der Wirtschaft ist es allerdings schon deutlich ernster.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das hat mit China zu tun!)

Wenn die Energieversorgung durch einen kurzfristigen Abbruch der russischen Gaslieferungen stärker beeinträchtigt werden sollte, können sich die wirtschaftlichen und die sozialen Folgen aber schnell erheblich verschlechtern. Es ist für ein Industrieland ein ganz erhebliches Problem, wenn seine Energieversorgung, auf die es aufbaut, in einem solchen Maße beeinträchtigt ist. 

Die Folgen werden die Menschen in unserem Lande nicht gleichmäßig treffen. Gerade für Menschen in schon jetzt schwierigen finanziellen Verhältnissen wird es sehr schnell ernst, wenn die Kosten für Lebensmittel, Heizung, Mobilität etc. plötzlich steigen. Es wird Aufgabe der Politik sein, die Folgen abzumildern und dafür zu sorgen, dass die Lasten gerecht verteilt und solidarisch getragen werden

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE) 

und dass der Zusammenhalt der Gesellschaft gewahrt bleibt. Das ist herausfordernd. Erste Schritte sind Bund und Länder bereits gegangen. 

Wer aber annimmt, der Staat könne das alles abfedern, der irrt. Wir alle werden die Folgen spüren. Der Satz „Wir werden alle ärmer werden“ ist traurige Realität. Wir können die Folgen aber gemeinsam begrenzen. 

Absurd ist, dass die AfD nun versucht, daraus populistisches Kapital zu schlagen. Es ist wirklich anstrengend, diese Phasendrescherei, schrecklich. Abgesehen davon, dass Sie keinerlei Lösung präsentieren - eigentlich stehen Sie in den Trümmern Ihrer politischen Forderungen, gerade wenn man sich die Energie- und die Außenpolitik anguckt. 

(Zurufe von der AfD) 

Es heißt so leichthin, dass wir uns in einer Energiekrise befinden. Ja, das ist so. 

(Lachen bei und Zurufe von der AfD)

Es ist aber genaugenommen eine Krise der fossilen Energieträger.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Zurufe von der AfD - Unruhe)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger: 

Ein bisschen mehr Konzentration, bitte. 

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD) 

- Ein bisschen mehr Konzentration, bitte!

(Zurufe von der AfD: Kriegspartei! - Genau, Kriegspartei!)


Olaf Meister (GRÜNE): 

Das deutsche Windrad dreht sich unermüdlich, die deutsche Solarzelle pumpt verlässlich ihren Strom 

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, von Wolfgang Aldag, GRÜNE, und von Elrid Pasbrig, SPD - Zurufe von der AfD)

zu günstigen Gestehungskosten in die deutschen Netze, 

(Zurufe von der AfD)

während die Preise für Gas und Öl durch die Decke gehen. Der Preis für grünen Wasserstoff lag jüngst erstmalig unter dem von grauem Wasserstoff. Hätte man die Energiewende konsequenter betrieben   dagegen gibt es harte Widerstände, insbesondere bei Ihnen  , wären unsere Sorgen, aber perspektivisch auch unsere Kosten kleiner. Die Lehre daraus muss sein, diesen Weg jetzt stringenter zu gehen. 

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das einseitige Setzen auf einen günstigen, aber erkennbar problematischen Lieferanten war falsch. Das war zu erkennen und wurde angemahnt; Nord Stream 2   wir haben die Debatte an verschiedenen Stellen  , man wollte es nicht hören. Statt Einsicht zu zeigen, macht man sich nun über die lustig, die die Kohlen aus dem Feuer holen. Neulich bspw. ein Beitrag von Herrn Kirchner: Habeck, das ist ja unglaublich, da fährt der nach Katar und verrät damit die eigenen Ideale!

(Zurufe von der AfD)

Tatsächlich wird damit Verantwortung übernommen, indem man auch über den eigenen Schatten springt und die Dinge, die nötig sind, tut.

(Beifall bei den GRÜNEN - Sebastian Striegel, GRÜNE: Verantwortung übernehmen, das kennt Herr Kirchner gar nicht! - Zurufe von der AfD)

Besonders gravierend ist aber das außenpolitische Versagen. Der Charakter des Putin-Regimes war spätestens ab 2014 offensichtlich. Imperiale Ansprüche wurden spätestens ab diesem Zeitpunkt auch militärisch durchgesetzt. Es hätte einer klaren, entschlossenen zivilen Antwort bedurft. 

Wenn man auf den aktuellen Krieg schaut, wird deutlich, dass das Putin-Regime nicht nur die eigene Stärke über- und die ukrainische Entschlossenheit unterschätzt hat, sondern dass es insbesondere der Staatengemeinschaft keine konsequente Reaktion, nämlich Sanktionen und Unterstützung, zugetraut hat. Diese kriegsauslösenden Fehleinschätzungen speisten sich aus der Erfahrung von 2014. 

Das Bestreben weiter Teile unserer politischen Landschaft, aber eben gerade der Antragstellerin, bestand darin, die Sanktionen möglichst klein zu halten. 

Sanktionen wären allerdings die Lösung gewesen. Sie sind erforderlich, wenn     Herr Siegmund ging vorhin darauf ein: die Verträge und so, die müssen sowieso zahlen. - Das ist eine Milchmädchenrechnung. Sie können per Gesetz genau das unterbinden. Dann findet der Vertrag nicht statt - höhere Gewalt. Sie verkünden trotzdem das so, als bräche alles zusammen, aber der Vertrag, der einmal unterschrieben wurde, der bleibt.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Das ist völliger Unsinn. Das ist wirklich völliger Unsinn. Das dient für die Videos und für Ihre Fans etwas zu machen, aber mit der Realität hat das an dieser Stelle nichts zu tun.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE - Ulrich Siegmund, AfD: Das speichern wir uns mal ab! Das werden wir noch sehen, Herr Meister! - Tobias Rausch, AfD: Das ist Ihre Rechtsstaatlichkeit!)

Ganz regelmäßig erfolgten hierzu Debatten. Sie waren dafür, die Sanktionen wieder aufzuheben. Der Wirtschaftsausschuss des Landtages   das war allerdings vor der Zeit der AfD   reiste im Jahr 2014, kurz nach dem Einmarsch, erst einmal nach Russland - absurd!

Noch im Januar 2022   Russlands Truppen standen schon an der Grenze   war man zu keiner klaren Positionierung gegen die imperialen Bestrebungen bereit. Auch diese Beschwichtigungspolitik, nicht nur in Sachsen-Anhalt, nicht nur in Deutschland, sondern international, ist sehr wahrscheinlich eine Ursache für den Krieg, für die Toten und letztlich in der Folge auch für unsere Probleme.

Die Lehre daraus muss sein, solchen Diktatoren rechtzeitig deutlich zivil entgegenzutreten, auch wenn das unangenehm ist. Dazu müssen wir in Europa vereint sein.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Susan Sziborra-Seidlitz, GRÜNE - Zuruf von Thomas Korell, AfD)

Das erfordert starke gemeinsame politische Institutionen wie die Europäische Union, aber auch militärisches Zusammenstehen. Diese Institutionen dürfen keinen Selbstzweck haben, sondern müssen von unseren gemeinsamen Werten getragen sein. Sie müssen dem Völkerrecht verpflichtet sein - nicht, wie Russland, dem Recht des vermeintlich Stärkeren.

Wir können, wenn wir diese und weitere Lehren ziehen, gestärkt aus dieser schweren Zeit hervorgehen: ein in Vielfalt geeintes Europa, zu dem ganz selbstverständlich auch die Ukraine und vielleicht irgendwann selbstbestimmt ein demokratisches Russland gehören; eine auf Zusammenarbeit und Recht basierende Friedensordnung für Europa, aber auch darüber hinaus. 

Wirtschaftlich müssen wir jetzt durch diese Krise hindurch. Wir müssen daraus auch die Lehre ziehen, die Wirtschaft so umzubauen, dass sie nachhaltig ist - also mit unseren Ressourcen hinkommt.

(Zurufe von Oliver Kirchner, AfD, und von Tobias Rausch, AfD)

Das bringt Sicherheit, auch für wirtschaftliche Krisen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Na ja!)


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Danke, Herr Meister. Herr Scharfenort hat eine Intervention. Ich möchte Sie auf § 60 Abs. 4 GO.LT hinweisen, wonach Sie sich kurz und präzise zu äußern haben.


Jan Scharfenort (AfD):

Ich möchte zwei Punkte ansprechen. Erstens, weil Sie uns das Beispiel mit Katar vorwerfen: Das machen wir nur, weil wir Ihnen das zurückspiegeln, weil Sie sonst als GRÜNE immer so moralinsauer sind. Wir gehen dabei völlig pragmatisch heran. 

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Aber es wäre nicht nötig gewesen.

Zweitens. Kommen wir einmal zu den Lösungen. Wie Sie wissen, hat das Wirtschaftsministerium unter Habeck nun entschieden, die Laufzeit der Atomkraftwerke, der Kernkraftwerke nicht weiter zu verlängern. Dazu gab es eine Studie. Damit war das Umweltministerium beauftragt. Hierzu waren nur die Energiekonzerne geladen, die anderen Verbände nicht. Der Arbeitgeberverband hat uns, Ihnen vielleicht auch, gesagt, dass es sehr wohl möglich wäre. Es sei eine rein politische Entscheidung.

Zu den Kosten. Mit ca. 1 Milliarde € könnte man nicht nur drei, sondern insgesamt sechs Kernkraftwerke weiterlaufen lassen. Damit hätten wir einen großen Beitrag zur Energiesicherheit getan. Das wollen Sie nicht. Das glaube ich Ihnen auch. Aber dann müssen Sie sagen, dass Sie das aus ideologischen Gründen nicht wollen; denn das ist reine Ideologie.

Die EU sieht das mittlerweile anders, wie Sie wissen. Sie haben sich aus ideologischen Gründen dafür entschieden; denn sachlich, faktisch können Sie dem nicht widersprechen, wenn Sie wirklich an Energiesicherheit interessiert sind. 


Präsident Dr. Gunnar Schellenberger:

Herr Meister.


Olaf Meister (GRÜNE):

Als moralinsauer sehe ich mich nicht und meine Partei auch nicht.

(Siegfried Borgwardt, CDU, lacht)

Tatsächlich macht Habeck das, was nötig ist. Das hat er ohne ein Zögern gemacht. So verstehe ich grüne Politik, dass man auf Probleme reagiert   es wird Kollegen geben, die das anders sehen  , 

(Minister Sven Schulze lacht)

schon mit einer festen Wertebasis. Wir haben ein Ziel, wo wir in der Energiewirtschaft hingehen wollen. Es hat Gründe, dass wir diese Ziele haben. Trotzdem muss man auf die aktuelle Situation reagieren. Genau das tut er.

Ich finde es unanständig, dass solche Geschichten kommen. Bei Ihnen, bei Ihrer Partei, überrascht mich das nicht. 

(Zuruf von der AfD: Grüne Ziele und die anderen müssen es bezahlen! - Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD - Weitere Zurufe von der AfD)

Zur Atomkraft. Ich weiß nicht, ob Sie die heutige Meldung gelesen haben, dass die französischen Atomkraftwerke gerade zu 50 % nicht am Netz sind.

(Jan Scharfenort, AfD: Das liegt an ihrer Schlamperei!)

Das sollte Ihnen zu denken geben. Das hat Gründe, die in der Technologie begründet sind.

(Jan Scharfenort, AfD: Nein, das hat Gründe in der Wartung!)

Sollte dort ein heißer Sommer kommen - das hat man in der letzten Zeit hin und wieder einmal gehabt   und sie nicht in der Lage sein, ihre Kühlung für die Atomkraftwerke, für den Rest, den sie haben, hinzukriegen, stellt sich die Frage, wie die Industrienation Frankreich in der Lage sein will, ihre Energieversorgung zu sichern.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE - Rüdiger Erben, SPD: Ganz aktuell!)

Dazu wird die deutsche Windkraft - das war zumindest in den vergangenen Jahren so   ihren Beitrag leisten. Das ist ein Irrweg. Das ist wirklich ein Irrweg.

(Zuruf von Frank Otto Lizureck, AfD - Weitere Zurufe von der AfD)

Diesen sollte man verlassen. Dahingehend sollte man auch nicht versuchen, diese Situation     Nun hat man vielleicht eine Chance; lassen wir die einmal ein bisschen weiterlaufen, vielleicht klappt das.   Nein! Dieser Weg, den Deutschland gegangen ist, ist vernünftig. Dieser wird sich auf lange Sicht, gerade finanziell, als der richtige Weg erweisen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jan Scharfenort, AfD: Nein! Wir sprechen uns! - Weitere Zurufe von der AfD)