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Plenarsitzung

Kleine KiFöG-Novelle: Die Meinung der Anzuhörenden

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration hat sich am Mittwoch, 15. November 2017, in einer öffentlichen Anhörung mit der kleinen Novelle des  Kinderförderungsgesetzes beschäftigt. 

Kommunen werden nicht wirklich entlastet

Das Gesetz verfehle das eigentliche Ziel, die Städte und Gemeinden bei den Kita-Kosten zu entlasten, da §13 Abs. 6 des Gesetzes ersatzlos gestrichen werden soll [Red.: Bundesgelder werden für 2018 nicht weitergereicht], kritisierte Jürgen Leindecker vom Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt. Daher würden die von Ministerin Grimm-Benne angekündigten zusätzlichen 30,6 Millionen Euro im Wesentlichen von den Kommunen selbst finanziert. Außerdem sei das Urteil des Landesverfassungsgerichts (LVerfG) vom Oktober 2015 nur unzureichend umgesetzt.

Michael Struckmeier vom Landkreistag Sachsen-Anhalt ergänzte, dass es bisher keine Einkommensstaffelung bei den Kostenbeiträgen der Eltern im Land gebe. Falls man zukünftig in dieser Hinsicht tätig werden wolle, müsste man es rechtlich wasserdicht machen und alle Folgewirkungen beachten. Struckmeier dachte an mögliche Konflikte zwischen Eltern und Gemeinden. Zudem könnte es sein, dass ein hoher bürokratischer Prüfaufwand entstehe, der nur wenig Geld bringen würde.

Der DRK Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. sieht den Gesetzentwurf positiv, weil das Finanzierungsmodell eine große Transparenz ermögliche. Dr. Carlhans Uhle sagte, die Qualität der Kita-Betreuung werde mess- und erfahrbar, dadurch könne dem Recht aller Kinder auf angemessene Betreuung und Bildung in den Kitas genüge getan werden.

Manuela Knabe-Ostheeren von der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege im Land Sachsen-Anhalt begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf als wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der Kita-Betreuung.

Grundsätzliche Veränderungen nötig

Wolfgang Schuth vom Landesverband der Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt e.V. (AWO) sieht Entwicklungsbedarf bei der Kinderbetreuung. Der Gesetzentwurf ziele grundsätzlich darauf ab, die Pauschalen anzuheben. Die Aufhebung der Landespauschalen in §12 des KiFöG würde natürlich eine große Anstrengung für das Land bedeuten. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass auch die AWO Anstrengungen unternommen habe, indem Tarifsteigerungen ausgeglichen wurden.

Für Schuth sei es schwer verständlich, dass ein Medizinstudium in Deutschland kostenlos, die Basis-Erziehung und Bildung in der Kita dagegen kostenpflichtig sei. Die AWO hoffe, dass die Kommunen mit der nun weggefallenen 50:50-Regelung verantwortungsvoll umgehen werden. Die Elternbeiträge sollten mindestens auf zwei Drittel des Kindergeldes gedeckelt werden, eigentlicher Wunsch der LIGA sei eine gänzlich kostenfreie Kinderbetreuung.

Gute Bildung kostet Geld

„Jedes Kind habe das Recht auf eine gute und qualitativ hochwertige Bildung“, betonte Marita Magnucki vom Caritasverband für das Bistum Magdeburg. Dies müsste in allen Regionen Sachsen-Anhalts gelten und ein verlässliches Angebot darstellen. Da die außerfamiliäre Bildung immer mehr an Bedeutung gewinne, werde auch das Qualitätsmanagement wichtiger. In diesem Kontext sei eine kontinuierliche Fachberatung unerlässlich.

Dr. Gabriele Girke, DER PARITÄTISCHE Sachsen-Anhalt, erklärte, Kindererziehung und  Bildung seien eine gesellschaftliche Aufgabe. Sie nannte drei Punkte, die dringend verbessert werden müssten: Mehr Zeit für Leitungstätigkeiten einer Kita, bessere Kalkulation von Vor- und Nachbereitungszeiten für Erzieherinnen sowie Krankheits-, Urlaubszeiten und Fortbildungen.

Kind-Erzieher-Schlüssel muss sich ändern

Annette Schöpke vom Freien Waldorfkindergarten Magdeburg e.V., kritisierte, dass der Erzieherinnenschlüssel derzeit nur eine rechnerische Größe ist. Denn sobald eine Erzieherin fehlt, stimme der Personalschlüssel nicht mehr. Die Gesellschaft habe einen hohen Anspruch an den Beruf, die Aufgaben seien vielfältig, vom KiFöG würden allerdings nicht entsprechend Stunden zur Verfügung gestellt. Deshalb sei eine Absenkung des Kinder-Erzieher-Schlüssels unabdingbar.

Die DIAKONIE Mitteldeutschland erläuterte, dass in der Kita den ganzen Tag über Bildung stattfindet und nicht nur zwischen 10 und 14 Uhr. Bildung und Erziehung würden nur auf spielerische Weise verpackt, betonte Nancy Wellenreich. Daher begrüße sie es, dass in dem Gesetzentwurf an dem Ganztagsanspruch für alle Kinder festgehalten wird.

Die Gesetzesinitiative der Landesregierung sei ein erster wichtiger Schritt, da die Kosten zwischen Land und Kommunen neu austariert werden, sagte Reinbern Erben von der Magdeburger Stadtmission e.V. Das neue System sei dringend auf Fairness und Transparenz angewiesen. Mit der jetzigen Novellierung könne jedoch nur ein Etappenziel abgerechnet werden, weitere umfangreiche Veränderungen müssten folgen.

Eltern fürchten höhere Beiträge

Der Fokus sollte wieder stärker auf die Frage gerichtet sein: „Was ist uns die Kinderbetreuung wert“,  sagte Tobias Ulbrich, von der Landeselternvertretung der Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt.  Auch die kleine Novelle greife völlig am Thema vorbei, da Eltern hauptsächlich als Kostenträger betrachtet werden. Die hohen Kosten für die Betreuung der Kinder sei aus seiner Sicht ein Grund, warum es immer mehr Ein-Kind-Familien gebe.

Im Wahlprogramm hätte es seitens der Politiker viele Ideen gegeben, wie Eltern entlastet werden können, das was bisher vorliege sei für die Eltern enttäuschend. Ulbrich warnte davor, mit der weggefallenen 50:50-Regelung den Kommunen den „schwarzen Peter“ zuzuschieben.  Außerdem sei es wichtig, mehr Bundesgelder für die Sanierung der Kitas zu akquirieren.

Weder das Verfassungsgerichtsurteil noch die geplante Gesetzesänderung hätten einen direkten Einfluss auf das Wohl des Kindes, ist der Kinderbeauftragte der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Gerd Keutel, überzeugt. Er geht nicht von einer drastischen Erhöhung der Elternbeiträge durch die Kommunen aus. Daher empfiehlt er dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Nicole Anger, vom Landesjugendhilfeausschuss Sachsen-Anhalt  betonte, dass sich das Verfahren zur Finanzierung des Kita-Systems bewährt habe. Daher sei es richtig, dieses fortzuführen und zu optimieren. Der Elternbeitrag sollte stabil bleiben, langfristig sogar gesenkt werden. Die geplante Staffelung der Beiträge dürfe den Verwaltungsaufwand nicht aus dem Blick lassen.

Es sei wichtig, die Finanzierung der Kindertagesbetreuung insgesamt noch transparenter zu gestalten, erklärte Frank Wolters, von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen-Anhalt. Er fragte, ob die kalkulierten Pauschalen wirklich ausreichten. Zudem sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum die Pauschalen auf die Kinder verteilt werden und nicht auf die Verweildauer eines Kindes in der Einrichtung.  Darüber hinaus sei „mit diesem Personalschlüssel das Bildungsprogramm nicht umsetzbar“, so Wolters weiter.

„Festschreibung des Status Quo“

Der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt  beurteilte den Gesetzentwurf als „Zwischenlösung“, um dem Urteil des LVerfG in Bezug auf den Beitrag der Kommunen gerecht zu werden.  Alle anderen Probleme und Mängel würden jedoch fortgeschrieben und vermutlich bis zur großen KiFöG-Novelle vertagt konstatierte Dr. Petra Weiher.

Eine Prämisse sei jedoch immer gewesen, bei einer Novellierung darauf zu achte, dass die Elternbeiträge nicht weiter steigen. Das sei mit der kleinen Novelle nicht passiert, da die Bundespauschalen [Red.: Streichung §13 Abs. 6 des KiFöG] nicht an die Kommunen weitergereicht wurden, sondern in die Landespauschalen eingeflossen sind.

Trotz des gestiegenen Landesanteils gebe es keine Änderung des Systems und der Qualität, sondern eine „Festschreibung des Status Quo“. Der Anteil des Landes an der Finanzierung erhöhe sich einfach zugunsten der Kommunen.
Weiher warnte davor, dass die Kommunen die Elternbeiträge nun theoretisch deutlich erhöhen könnten. Inwiefern sich das in der Praxis bewahrheiten werde, könne man jetzt noch nicht sagen.

Dörthe Busch, von der Hochschule für Wirtschaft in Berlin hat gemeinsam mit sachsen-anhaltischen Sozialministerium die Evaluation der Kita-Betreuung durchgeführt. Busch verwies auf ein aus ihrer Sicht für die Diskussion wichtiges Ergebnis, wonach in den Kitas derzeit noch nicht viele zeitliche Staffelungsstufen bei der Betreuung angeboten werden. Sie regte an, dies in den Gesetzentwurf aufzunehmen, um den Eltern entsprechende individuelle Möglichkeiten zu bieten.