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Plenarsitzung

Karrierestart über den Gymnasiumsbesuch?

Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte im Juni 2015 eine Große Anfrage zum Thema „Der Weg zum Abitur in Sachsen-Anhalt – Karriereverläufe der Schülerinnen und Schüler“ gestellt. Basierend auf den Antworten der Landesregierung wurde das Thema nun im Plenum diskutiert. Die Entgegnung der Landesregierung enthält unter anderem 75 Seiten mit Übersichten zu den Schülerzahlen in den Landkreisen und kreisfreien Städten.

Schülerinnen und Schüler auf dem Pausenhof. Wie steht es um die Ausbildung und die Schülerschaft in den Gymnasien Sachsen-Anhalts? Foto: Sebastian Bernhard

Für längeres gemeinsames Lernen

Der Anlass für die Große Anfrage seien in der Tat Aussagen in der Presse über zu viele missglückte Karrieren an den Gymnasien gewesen, sagte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Zu den Bildungsverläufen in den Schulen lägen der Landesregierung allerdings keine detaillierten Zahlen vor, zu Schulen in freier Trägerschaft gebe es ebenso keine Auskünfte, kritisierte Dalbert.

Die meisten Schülerinnen und Schüler wechselten laut Auskunft der Landesregierung nach der sechsten Klasse ans Gymnasium. Dies spreche für längeres gemeinsames Lernen an den Gemeinschaftsschulen. Eine zu frühe Schullaufbahnempfehlung sei kontraproduktiv, man könne nicht vorhersehen, wie sich ein Zehnjähriger entwickle, so Dalbert. In den Jahrgängen danach würden allerdings fünf- bis zehnmal so viele Schüler zurück an die Sekundarschulen „abgeschult“ als ans Gymnasium „aufgeschult“.

Sitzenbleiben helfe der/dem Betroffenen in der Regel nicht; hier sei Fördern die bessere Alternative, zumal man meist nur in einem bis zwei Fächern Schwierigkeiten habe. „Nirgends bleiben so viele sitzen wie in der elften Klasse“, resümierte Dalbert. Dies betreffe über fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler. Zwei Prozent der Zwölftklässler schafften das Abitur nicht nach dem ersten Versuch. Insgesamt müsse mehr dafür getan werden, dass Schüler – ungeachtet ihrer sozialen Herkunft – die Hochschulreife erreichten. Dalbert sprach sich zudem für eine wissenschaftliche Begleitung der Karriereverläufe von Schülerinnen und Schülern aus.

Wahlpflichtkurs „Lernmethoden“ für besseres Lernen

„Jedes Kind hat seine ganz individuelle Biographie (Familie, Pubertät, Krankheit) – da kann man nicht einfach einen Knopf umlegen und der Misserfolg ist vorbei“, erklärte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD). Daher dauere es einige Zeit, bis detaillierte Zahlen vorlägen, die spezielle Auskünfte über den Karriereverlauf von Schülerinnen und Schülern gäben. Dorgerloh wies auf diverse Förderangebote bei Lerndefiziten hin. So gebe es beispielsweise in den Klassenstufen 5 und 6 den Wahlpflichtkurs „Lernmethoden“.

Die individuelle Förderung habe sich auch an den Gymnasien als Grundprinzip der Lehre durchgesetzt. Bei Gefährdung der Versetzung würden die Eltern umgehend informiert. Derzeit arbeite das Kultusministerium an der Erstellung neuer Fachlehrpläne für die Gymnasien und Fachgymnasien, um noch gezielter auf die Hochschulreife vorbereiten zu können, so Dorgerloh. Als Erfolg sei zu verbuchen, dass die Gymnasien in Sachsen-Anhalt im Fach Mathematik unter den besten drei in der Bundesrepublik seien, bei den Naturwissenschaften sei es durchgängig sogar der erste Platz.

Verbindliche Schullaufbahnempfehlung wiedereinführen

Der Weg zum Abitur sei ein Thema, das es verdient habe, angesprochen zu werden, konstatierte Hardy Peter Güssau (CDU). Das Ansehen der Schulform Gymnasium zeige sich nicht nur an den hohen Übertrittsquoten, sondern auch an der Nachfrage der Wirtschaft an Abiturienten. Hier werde die qualitativ beste Ausbildung geboten, weshalb sich viele Eltern dafür entschieden, ihre Kinder dorthin zu schicken. Güssau kritisierte den offenbar vorherrschenden „Akademisierungswahn“, der zu einer Vernachlässigung des beruflichen Bildungswesens führe. Es bestünden zahlreiche Herausforderungen für die Schulform Gymnasium, das Gesamtgefüge des Schulwesens müsse stärker berücksichtig werden. Güssau plädierte für die Wiedereinführung der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung nach der vierten Klasse (2012 abgeschafft), um dem vielfach fast vorhersagbaren Schulversagen im Gymnasium vorzubeugen.

Effektivere Schulstrukturen entwickeln

Monika Hohmann (DIE LINKE), selbst 30 Jahre im Schulsystem tätig gewesen, ist sich klar darüber, warum Eltern ihre Kinder aufs Gymnasium schickten: Weil die Chance auf eine Berufsausbildung gerade in den 1990er Jahren hier deutlich höher gewesen sei als mit einem Sekundarschulabschluss. Für die Linken ergeben sich nach der Großen Anfrage folgende Erkenntnisse: Es gebe viele Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium ohne Abitur verließen, die Zahl der Rückkehrer an die Sekundarschulen sei deutlich höher als die der „Aufgeschulten“ und viele Gymnasiasten müssten eine Klassenstufe wiederholen.

Gymnasien hätten mittlerweile ihren Status als Eliteschulen und ihre exklusive Stellung als einzige Schulform zur Erringung der Hochschulzugangsberechtigung verloren. Doch es dürfe nicht dazu kommen, den Zugang zum Gymnasium durch harte Zugangsprüfungen zu beschränken, so Hohmann. Stattdessen sollten effektivere Schulstrukturen entwickelt werden, die darauf ausgerichtet seien, einen erfolgreichen Abschluss am Gymnasium zu ermöglichen. Die Linken begrüßten eine Kompetenzorientierung an den Gymnasien sowie die bundesweite Vergleichbarkeit der Bildungsangebote und eine verlässliche Unterrichtsversorgung.

Gründe für Abbruch untersuchen

Laut Patrick Wanzek (SPD) habe es keine Schwemme von neuen Gymnasiasten gegeben, als im Jahr 2012 die Verbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung abgeschafft worden sei. Die Steigerung der Gymnasiastenzahl habe bei knapp unter vier Prozent gelegen. Die SPD stehe für das längere gemeinschaftliche Lernen, bevor es zu einer Teilung der Schülerschaft komme. Die hohe Zahl derjenigen, die nach Klasse 5 das Gymnasium wieder Richtung Sekundarschule verließen, sei allerdings viel zu hoch. Die Gründe für dieses Phänomen müssten untersucht und anschließend gegengesteuert werden.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage nicht gefasst.