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Plenarsitzung

Wie soll Strafvollzug in Zukunft aussehen?

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs soll zum ersten Mal ein einheitliches und konzeptionell neu ausgerichtetes Landesgesetz den Strafvollzug in Sachsen-Anhalt regeln. Der Entwurf des Justizministeriums fasst alle Regelungen zum Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft zusammen und beinhaltet auch die notwendigen Regelungen für Straf- und Jugendstrafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Arbeitspflicht für Gefangene in sachsen-anhaltischen Gefängnissen beizubehalten und bis 2024 den Anspruch auf eine Einzelunterbringung zu erfüllen. Was die inhaltliche Ausgestaltung des Strafvollzugs angeht, setzt das Justizministerium auf noch mehr Behandlung und noch mehr Therapie. 

Die Justizvollzugsanstalt in Dessau. Foto: Olaf Meister.

Darüber hinaus hatten die Anzuhörenden Gelegenheit, zu einem von der Fraktion DIE LINKE im März 2013 eingebrachten Gesetzentwurf „über die Einführung eines  Jugendarrestvollzugsgesetzes und zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt“, Stellung zu nehmen. Die Linken gehen davon aus, dass die mit dem Jugendarrest verbundene Präventionshoffnung als gescheitert anzusehen ist. Der Gesetzentwurf zielt auf einen Jugendarrest weg vom reinen Sanktionscharakter hin zu mehr Förderung und Erziehung der Jugendlichen. Außerdem soll der Jugendarrest für Schulschwänzer abgeschafft werden. Schließlich war auch der „Zweijahresbericht zur Lage des Jugendstrafvollzugs in Sachsen-Anhalt 2012 bis 2013“ Gegenstand der öffentlichen Anhörung.

Mehr Beratung und Therapie benötigt mehr Personal

Grundsätzlich begrüßten die meisten Anzuhörenden den Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs in Sachsen-Anhalt. Viele Vertreter von Verbänden und Justizvollzugsanstalten erklärten jedoch, es müssten auch die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung des Gesetzes geschaffen werden. Ein erweitertes Beratungs- und Therapieangebot sei ohne entsprechend qualifiziertes Personal nicht möglich. Für die räumliche Unterbringung in Wohngruppen, die mit dem Gesetz als Kann-Bestimmung eingeführt würde, müssten zudem die nötigen räumlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Als größte Herausforderung sahen alle Anzuhörenden die hohen Rückfallquoten von Straftätern (derzeit 70 Prozent) und erklärten, daran müsste dringend gearbeitet werden, zum einen um der Straftäter selbst willen, zum anderen um langfristig Kosten einzusparen. Seitens der Justizvollzugsanstalten und dem Bund der Strafvollzugsbeamten wurde die Beibehaltung der Arbeitspflicht befürwortet, da sie den Tagesablauf strukturiert und zur finanziellen Unabhängigkeit der Gefangenen beitrage.

Jugendarrest: Ja oder Nein?

Die Frage, ob Sachsen-Anhalt einen Jugendarrestvollzug braucht oder nicht, sei vor allem eine politische, erklärten die meisten Anzuhörenden. Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft stellten die Frage, welche Alternativen es zum Jugendarrest geben könnte. Ihrer Ansicht nach würde die Schere zwischen Verwarnung und Auflagen einerseits und mindestens sechs Monaten Jugendfreiheitsstrafe andererseits, – ohne den Jugendarrest dazwischen – sehr hoch ausfallen.

Die Abschaffung des Jugendarrestes für Schulschwänzer rief bei den Anzuhörenden ein unterschiedliches Echo hervor. Der Schulleiterverband plädierte dafür, den Arrest mangels Alternativen als letzte Maßnahme beizubehalten. Dem schloss sich sogar der Landesschülerrat Sachsen-Anhalt an, allerdings sollte der Arrest stärker von Schulsozialarbeitern und Psychologen begleitet werden. Außerdem müsste immer der Einzelfall betrachtet werden, da Schulschwänzer aus ganz unterschiedlichen Motivationen handelten.

Die Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e.V. lehnte den Jugendarrest als Maßnahme bei Schulschwänzern dagegen strikt ab und bezeichnete den derzeitigen Zustand als „untragbar“. Ähnlich sah das auch der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt e.V. (KJS), denn das Fernblieben vom Unterricht sei nur die „Spitze des Eisberges“. Statt die Schüler in Arrest zu nehmen, sollte nach den Ursachen gesucht und über Alternativen diskutiert werden. Außerdem setzte sich der KJS für die grundsätzliche Abschaffung des Jugendarrests in Sachsen-Anhalt ein und tritt stattdessen – analog zu Sachsen und Baden-Württemberg – für eine freie und offene Form des Jugendstrafvollzugs ein.

Datenschutz hat noch Einwände

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Sachsen-Anhalt wies darauf hin, dass noch nicht alle von ihm gemachten Verbesserungen den Weg in den Gesetzentwurf gefunden haben. Beispielsweise würden noch immer Begriffe genutzt, die nicht den Normen des Landesdatenschutzgesetzes entsprächen. Dies könnte zu Problemen in der Anwendung des Gesetzes führen, so der Landesdatenschutzbeauftragte. Zudem plädierte er dafür, dass die Daten von Gefangenen nach spätestens zwei Jahren gelöscht werden, und nicht erst nach fünf, wie derzeit vorgesehen.

Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung wird die Anmerkungen der Angehörten auswerten und sich in einer seiner nächsten Sitzungen erneut mit dem Thema beschäftigen. 

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