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Plenarsitzung

Parlamentsreform: Vorschläge bestätigt

Der Landtag hatte in seiner 52. Sitzung am 17. Oktober 2013 beschlossen, eine Unterkommission des Ältestenrates zur Erarbeitung von Vorschlägen zur Parlamentsreform einzusetzen. Dieser seit Anfang des Jahres tätigen Kommission gehörten unter Leitung des Landtagspräsidenten die Fraktionsvorsitzenden sowie die parlamentarischen Geschäftsführer der vier Landtagsfraktionen an. Die Unterkommission hat eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die Landtagspräsident Detlef Gürth während der Julisitzung des Landtags vorstellte. Demnach handelt es sich um die größte Parlamentsreform seit Beginn des Landtags im Jahr 1990.

Mehr Transparenz, mehr direkte Demokratie, bessere Bürgerbeteiligung

Die Vorschläge der Unterkommission führen zu Gesetzes- und Verfassungsänderungen, die nun erarbeitet und im Herbst erneut beraten werden, erklärte der Landtagspräsident. Es gelte, das Land – nach kommunaler Neugliederung und Einsparungen im Haushalt – weiter zukunftsfähig zu machen, so Gürth. Man dürfe sich der demographischen Entwicklung nicht verschließen, und sowohl die Landesverwaltung als auch der Landtag selbst müssten ihren Beitrag zur Anpassung der Strukturen leisten. Dabei müsse aber die Mandatsausübung effizient und transparent bleiben.

Die Unterkommission des Ältestenrats hat sich intensiv mit folgenden Themen befasst:

  1. Wahlrecht und Parlamentsgröße
  2. Transparenz
  3. Immunität
  4. Aufgaben der Parlamente und verfassungsgemäße gerechte Mandatsausstattung
  5. Bürgerbeteiligung und Plebiszite
  6. Kinderrechte mit Verfassungsrang

In sieben Sitzungen in der Zeit von Januar bis Juni 2014 wurde folgendes Reformpaket erarbeitet:

Zu 1.: Wahlrecht und Parlamentsgröße

Das Wahlsystem bleibt als personalisierte Verhältniswahl unverändert bestehen. Mit der Wahl zum Landtag der siebten Wahlperiode soll die Zahl der Mandate um vier (jeweils zwei Wahlkreis- und zwei Listenmandate) verringert werden. In einem zweiten Schritt sollen weitere zwei Wahlkreismandate und zwei Listenmandate zur Wahl zum Landtag der Achten Wahlperiode 2021 entfallen. Damit würde die gesetzliche Zahl der Mitglieder des Landtages von gegenwärtig 91 auf 83 gesenkt werden. Bereits zur 5. Wahlperiode hatte es eine Reduzierung um acht Mandate gegeben.

Zugleich wird der Wille des Wählers beim Ausgleich von Überhangmandaten noch exakter abgebildet.

Die Souveränität des Landtages findet ihren Ausdruck darin, dass der Wahltermin künftig durch den Landtag im Benehmen mit der Landesregierung festgelegt wird. Des Weiteren soll der Landeswahlleiter kein politischer Beamter sein.

Zu 2.: Transparenzregeln

Die künftigen Verhaltensregeln/Transparenzregeln für Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt sollen sich im Wesentlichen an den Regelungen für die Mitglieder des Deutschen Bundestages orientieren.

Die Mandatsausübung habe im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Landtages zu stehen. Unbeschadet hiervon bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat grundsätzlich zulässig.

Leistungen an Abgeordnete, für die keine Gegenleistungen erbracht werden, sollen unzulässig sein. Entgegen geltenden Verboten angenommene Leistungen, sollen in Entsprechung zu § 44a Abs. 3 AbgG (Bund) grundsätzlich an den Landeshaushalt abgeführt werden.

Tätigkeiten vor der Ausübung des Mandats und während der Mitgliedschaft im Landtag, die zu Interessenverknüpfungen mit dem Abgeordnetenmandat führen können und die daraus erzielten Einkünfte sind gegenüber dem Landtagspräsidenten anzuzeigen und durch diesen zu veröffentlichen. 

Anzeigen nach den Verhaltensregeln sollen entsprechend § 1 Abs. 6 der Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erwerb der Mitgliedschaft im Landtag oder nach Eintritt von Änderungen während der Wahlperiode dem Präsidenten eingereicht werden.

Hinsichtlich der anzuzeigenden Einkünfte (vgl. Anlage 1) sind die für eine Tätigkeit zu zahlenden Bruttobeträge unter Einschluss von Entschädigungs-, Ausgleichs- und Sachleistungen zugrunde zu legen.

Die anzuzeigenden Einkünfte sollen in 5 Stufen angegeben und öffentlich deklariert werden.

Stufe 1: monatliche Einkünfte einer Größenordnung von 400 bis 1 000 Euro,
Stufe 2: monatliche Einkünfte bis 3 000 Euro, 
Stufe 3: monatliche Einkünfte bis 6 000 Euro, 
Stufe 4: monatliche Einkünfte bis 10 000 Euro, 
Stufe 5: monatliche Einkünfte über 10 000 Euro.

Bei unregelmäßigen Einkünften aus einer angezeigten Tätigkeit soll ein Zwölftel der Jahressumme als monatlicher Durchschnittswert für die Einstufung maßgeblich sein.

Mit Beginn des Jahres 2015 soll auf geschäftsordnungsrechtlicher Grundlage ein so genanntes Lobbyregister eingeführt werden, in das sich Verbände und Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform auf Antrag eintragen lassen können. Das Register ist so anzulegen, dass es im Internetangebot des Landtages einsehbar und recherchierbar ist.

Zu 3.: Immunität

Die bisherige Regelung zur Immunität in Artikel 58 der LV LSA, wonach Abgeordnete wegen einer Straftat nur mit Genehmigung des Landtages zur Verantwortung gezogen werden dürfen, soll nach dem Vorbild der Brandenburger Verfassung geändert werden. Danach sind Strafverfolgungsmaßnahmen gegen einen Abgeordneten, jede Haft und jede sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit grundsätzlich ohne Genehmigung des Landtages zulässig. Diese Maßnahmen sind nur dann auszusetzen, wenn dies der Landtag verlangt, weil durch die strafrechtlichen Maßnahmen die parlamentarische Arbeit des Landtages beeinträchtigt wird.

Mit dieser Regelung wird deutlicher, dass das Immunitätsrecht ein Parlamentsrecht ist, das die Funktionsfähigkeit der Volksvertretung schützen soll und nicht dem Schutz des einzelnen Abgeordneten dient. Einzig die Beeinträchtigung der Parlamentstätigkeit wird zum Kriterium der Immunitätsgewährung gemacht. Strafprozesse gegen Abgeordnete werden somit wie gegenüber „jedermann“ geführt. Der Vorwurf der Besserstellung von Abgeordneten entfällt dadurch.

Zu 4.: Aufgaben der Parlamente und verfassungsgemäße gerechte Mandatsausstattung

Grundentschädigung nach § 6 Abs. 1 Abgeordnetengesetz (AbgG LSA)

Als Maßstab für die Entschädigung nach § 6 Abs. 1 AbgG LSA (Grundentschädigung) soll wie bisher die Besoldung eines Richters in der Endstufe der Besoldungsgruppe R 1 im Land Sachsen-Anhalt (5 975,74 Euro ab 1. Juli 2014) herangezogen werden. Ab dem Beginn der Siebten Wahlperiode 2016 soll eine jährliche Anpassung der Höhe der Grundentschädigung auf der Grundlage eines in der Landesverfassung festzulegenden Indexes erfolgen. Grundlage soll die Nominallohn-Entwicklung im Land Sachsen-Anhalt sein. Damit wird das bisherige Verfahren über die Berichterstattung des Landtagspräsidenten auf der Grundlage von Empfehlungen einer Diätenkommission hinsichtlich der Anpassung der Höhe der Abgeordnetenentschädigung aufgegeben. Hierzu ist Artikel 56 Abs. 5 LV LSA zu ändern.

Aufwandsentschädigungen

Die Kostenpauschale nach § 8 Abs. 1 AbgG LSA sowie die „Bürokostenpauschale“ nach § 8 Abs. 4 AbgG LSA sollen in einer Pauschale zusammengefasst werden. Ab dem Beginn der Siebten Wahlperiode soll diese auf der Grundlage des jährlich zu ermittelnden Verbraucherpreisindex angehoben werden.

Der Betrag, den die Abgeordneten nach § 8 Abs. 2 AbgG LSA für die Beschäftigung von Mitarbeitern erhalten, soll künftig der Entgeltgruppen 9 Stufe 5 des Tarifvertrages der Länder (TV-L) entsprechen. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, auch wissenschaftliches Personal zur Unterstützung der Abgeordnetenarbeit zu beschäftigen.

Zu 5.: Bürgerbeteiligung und Plebiszite

Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens
Für einen Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens soll die Unterstützung durch persönliche und handschriftliche Unterschrift von bisher mindestens 8 000 beteiligungsberechtigten Personen nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Volksabstimmungsgesetz (VAbstG) auf mindestens 6 000 beteiligungsberechtigte Personen gesenkt werden. 

Zustimmungsquorum zu einem Volksbegehren
Ein Volksbegehren soll künftig erfolgreich sein, wenn mindestens 9 v. H.  bisher 11 v. H.  nach Artikel 81 Abs. 1 Satz 4 der Landesverfassung  der Beteiligungsberechtigten das Volksbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützen. 

Argumentation zum Volksentscheid
Kommt es auf der Grundlage eines Volksbegehrens zu einem Volksentscheid, soll zu dem zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf durch die Landesregierung eine Argumentation für die Beteiligungsberechtigten bereitgestellt werden, die die wesentlichen Fakten für und gegen den Gesetzentwurf enthält. Die Argumente sind durch das Parlament, die Initiatoren des Volksbegehrens sowie die Landesregierung bereitzustellen.

Zu 6.: Kinderrechte

Die Kinderrechte sollen Verfassungsrang haben und nicht nur wie bisher gesetzlich geregelt werden. Artikel 11 der Landesverfassung soll wie folgt lauten:

(1) Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung seiner Würde als eigenständige Persönlichkeit, auf gewaltfreie Erziehung und auf den besonderen Schutz der 
Gemeinschaft vor Gewalt sowie körperlicher und seelischer Misshandlung und Vernachlässigung.

(2) Eltern haben das Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder.

(3) Jedes Kind hat nach Maßgabe des Gesetzes einen Anspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung in einer Tageseinrichtung.

(4) Kinderarbeit ist verboten.“

Anlage 1

Katalog über Tätigkeiten und Verträge der Mitglieder des Bundestages/der Landtage, welche durch Verhaltensregeln anzuzeigen sind:

I.  Tätigkeiten vor der Mitgliedschaft im Bundestag/Landtag

  1. die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit (alle Länder, Bund)

  2. Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens 

    - Bund, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen;

  3. Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts 

    - Bund, Bayern, Hessen

II.  Tätigkeiten und Verträge während der Mitgliedschaft im Bundestag/Landtag

  1. entgeltliche Tätigkeiten 

    - entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat, die selbstständig oder im   Rahmen eines Anstellungsverhältnisses ausgeübt werden  Fortsetzung der bisherigen Berufstätigkeit, Beratungs-, Vertretungs-, Gutachter-, publizistische und Vortragstätigkeiten  (alle Länder, Bund)

  2. Tätigkeiten in Unternehmen 

    - Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Gesellschaft oder eines in einer anderen Rechtsform betriebenen Unternehmens (alle Länder, Bund)

  3. Tätigkeiten in Gremien einer Stiftung 

    - Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes oder eines sonstigen leitenden oder beratenden Gremiums einer Stiftung des öffentlichen oder privaten Rechts (Berlin, Thüringen)

  4. Tätigkeiten in Gremien einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts 

    - Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes, Aufsichtsrates, Verwaltungsrates, Beirates oder eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts (übrige Länder, Bund)

  5. Anzeigepflicht hinsichtlich der Mandate in Gebietskörperschaften 

    - ja (Anzeigepflicht für Tätigkeiten als Mitglied eines sonstigen Gremiums einer Körperschaft des öffentlichen Rechts): übrige Länder, Bund

  6. Tätigkeiten in Vereinsgremien, Verbänden  Tätigkeiten als Mitglied eines Vorstandes oder eines sonstigen leitenden oder beratenden Gremiums eines Vereins, Verbandes oder einer ähnlichen Organisation (Bund, Bayern, Hessen, Niedersachsen)

  7. Bestand oder Abschluss von Vereinbarungen, wonach dem Mitglied des Bundestages/Landtages während oder nach Beendigung der Mitgliedschaft bestimmte Tätigkeiten übertragen oder Vermögenswerte zugewendet werden sollen (Bund, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen)

  8. Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften, wenn dadurch ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss auf ein Unternehmen begründet wird (Bund, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen)

  9. zusätzliche Anzeigepflichten für Rechtsanwälte (Bund, Bayern, Hamburg, Hessen, Thüringen) 

    - Anzeige der gerichtlichen oder außergerichtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland/des Landes gegen Entgelt, wenn das Honorar einen vom Präsidenten festgelegten Mindestbetrag übersteigt

    - Anzeige der gerichtlichen oder außergerichtlichen Vertretung fremder Angelegenheiten gegen die Bundesrepublik Deutschland/das Land gegen Entgelt, wenn das Honorar einen vom Präsidenten festgelegten Mindestbetrag übersteigt