Tagesordnungspunkt 30

Beratung

Internationaler Jugendaustausch muss selbstverständlich werden

Antrag Fraktion Die Linke - Drs. 8/4033

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und FDP - Drs. 8/4076


Frau Hohmann möchte den Antrag gern einbringen. - Dann soll sie das tun.


Monika Hohmann (Die Linke): 

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir den Tagesordnungspunkt heute noch behandeln können, sodass wir den heutigen Tag mit Europa füllen und auch abschließen können.

Angesichts der Tatsache, dass bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in diesem Jahr erstmals das neue Wahlrecht ab 16 Jahren greift - das wurde vorhin schon mehrfach erläutert -, müssen das bisherige Engagement im Bereich der Europabildung gebündelt, institutionelle Strukturen geschaffen und bisherige Projekte verbindlich so gestaltet werden, dass die europäische Idee in jedem Klassenzimmer stärker ankommt als bisher.

(Zustimmung bei der Linken - Zuruf von Stefan Gebhardt, Die Linke)

Bereits in der letzten Wahlperiode hat meine Fraktion das Thema „Europäischer Schüler- und Jugendaustausch“ hier im Hohen Haus auf die Tagesordnung gebracht. Zwei Punkte wurden damals nicht berücksichtigt. Ich hatte deshalb angekündigt - ich denke, Herr Kurze wird sich bestimmt noch daran erinnern; denn er hat nämlich auch eine Rede dazu gehalten -, in der nächsten Legislaturperiode noch einmal einen Aufschlag zu machen. Und das mache ich heute.

(Zustimmung bei der Linken)

Denn für uns ist es wirklich wichtig, dass jeder junge Mensch in Sachsen-Anhalt wenigstens einmal bis zu seinem 25. Lebensjahr ein europäisches Land besucht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, dass der Schwerpunkt des europäischen Schüler- und Jugendaustausches nicht nur auf der Schule liegt, sondern darauf, dass alle Jugendlichen auch außerhalb der Schule die Möglichkeit haben, Europa zu erleben. Wir möchte uns deshalb besonders dafür einsetzen, dass junge Menschen unabhängig von der Schulform, dem Bildungshintergrund, der Herkunft, der Familiensituation, einer Behinderung, der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung, von individuellen Fähigkeiten oder von ökonomischen Voraussetzungen an diesen Austauschprogrammen teilnehmen können.

(Zustimmung bei der Linken)

Für uns steht fest, dass der europäische Gedanke allen Heranwachsenden vermittelt werden muss. 

Ich möchte heute in meinen Ausführungen natürlich sehr stark auf den Schüler- und Jugendaustausch eingehen. Nachdem ich mich in den letzten Jahren mit diesem Thema stärker auseinandergesetzt habe, ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen zu sagen, dass dies ein wichtiges Anliegen ist und einen Beitrag dazu leisten kann, die Ungleichheiten im Bildungssystem abzubauen.

Wie sich die meisten von Ihnen vorstellen können, beschränken sich Schüler- und Jugendaustausche, gerade wenn es um mehrtägige Fahrten geht, weitestgehend auf Gymnasien. Diese sind noch immer Spitzenreiter derjenigen, die an solchen Austauschprogrammen teilnehmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir weiter dafür sensibilisieren, diese Programme auf Sekundarschulen - es gibt einige wenige Europaschulen - und auch auf Förderschulen auszuweiten; denn sie sind bislang fast gar nicht mit dabei.

Fragt man junge Leute nach ihren Erfahrungen und der Wirkung ihrer Austauscherlebnisse, so stellt man fest, dass die Ergebnisse eigentlich immer positiv sind. Zum Beispiel sagte ein Jugendlicher: Man sieht in den Augen der anderen, wie die Vorurteile zusammenbrechen. Man stellt fest, dass wir z. B. die gleiche Musik hören oder dass wir dieselben Stars verfolgen. Die Gemeinsamkeiten entdecken wir schnell. Ein anderer Jugendlicher sagte: Wenn wir eine Sportbegegnung veranstalten, ist Fußball unsere gemeinsame Sprache. - Also auch das ist möglich.

Jugendliche, die eine längere Zeit im Ausland verbracht haben, können zu Wegbereitern besserer Verständigung sowohl im Ausland als auch im Inland werden. Sie kennen ihr Land, haben das Gastland erlebt und kehren meist offener und toleranter nach Hause zurück. Dank dieser Erfahrungen können Sie dazu beitragen, dass Deutschland noch weltoffener wird und man Fremde nicht als Bedrohung empfindet.

(Zustimmung bei der Linken) 

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, dass sich die Landesregierung schon bemüht hat. Ich sage das, damit ich nicht wie beim letzten Mal wieder die Kritik von Herrn Robra ernten muss.

(Zuruf von Stefan Gebhardt, Die Linke)

Wie gesagt, sie haben sich bemüht, in den letzten zwei Jahren an der Erweiterung der Schüler- und Jugendaustausche zu arbeiten. Ich habe sogar die Berichterstattung der Landesregierung an den Landtag gelesen. Bei meiner Recherche fand ich den Bericht über die europäischen und internationalen Aktivitäten des Landes Sachsen-Anhalt für das Jahr 2024. Darin sind einige Maßnahmen aufgeführt worden. Aber wenn man sich damit zufriedengibt, dass wir 150 Schulen in Partnerschaft mit europäischen Schulen haben, dann ist das ein bisschen wenig, wenn man bedenkt, dass wir fast 900 Schulen haben. Und wenn man sich damit begnügt, dass 500 Schülerinnen und Schüler in diesem Jahr an einem solchen Austauschprogramm teilnehmen,

(Stefan Gebhardt, Die Linke: Das ist nichts!)

dann ist das - ich sage es einmal so - ein Tropfen auf einen heißen Stein.

(Zustimmung bei der Linken)

Deshalb sollte es aus unserer Sicht eine verbesserte und zielgruppengerechte Aufarbeitung der Informationen über bestehende Möglichkeiten geben, an europäischen Austauschprogrammen teilzunehmen.

Nach wie vor müssen wir feststellen, dass auch wir uns bemühen müssen, geeignete Maßnahmen zur Vereinfachung des Antragsverfahrens für die Gewährung von Zuschüssen zu europäischen Austauschmaßnahmen zu schaffen. Es ist schon ein bisschen was passiert, aber das reicht bei Weitem nicht aus. 

Deshalb denken wir, dass es sinnvoll wäre, den Ausbau von Informations- und Beratungszentren zu forcieren. Die Landesregierung könnte z. B. die Kapazitäten, die wir momentan haben, nämlich in den Europe-Direct-Zentren, die es in Halle und Magdeburg gibt, deutlich aufstocken. Beides sind außerschulische Bildungsträger, die jedoch das Bildungsministerium beauftragen könnte, auch Schulen zu beraten. Auch das wäre möglich. 

Ich könnte mir auch vorstellen, dass es an den Schulen eine Art Informationsbroschüre gibt, in der diese Programme dargestellt werden, sodass die Lehrerinnen und Lehrer alles gebündelt in einer Hand haben und nachschauen können, wenn es um die Fragen geht: Wo können wir hinfahren? Was kostet das? Wer ist für mich Ansprechpartner usw.? Das würde schon eine ganze Menge vorwegnehmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, entsprechend dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz Ost vom Juni 2023 den Austausch zwischen Frankreich und den Ostbundesländern zu festigen, indem Strukturen, Verbände und Fachkräfte des bilateralen Jugendaustausches in Sachsen-Anhalt gestärkt werden. Dieser umfasst selbst 35 Jahre nach der Wende nur einen Bruchteil dessen, was an Fördermitteln des DFJW, also des Deutsch-Französischen Jugendwerkes, in Anspruch genommen wird. 

Hierbei tritt wieder das gleiche Problem wie bei anderen Austauschprogrammen auf. Die Fördermittel sind vorhanden. Es fehlt aber an Strukturen, Verbänden und Fachkräften, die jene durchführen können. Das bestätigt auch meine Kleine Anfrage, die ich im letzten Jahr gestellt habe, als ich nämlich fragte: Welche Probleme sieht die Landesregierung bei den Austauschprogrammen? 

Ich zitiere einmal einen Teil der Antwort: Ein Problem für die Träger der Jugendarbeit ist, dass vielfältige Fördertöpfe für Projekte zur Verfügung stehen, das Personal allerdings in der Regel nicht gefördert bzw. finanziert wird. Eigene Finanzierungsmittel für Mitarbeitergehälter stehen dem Träger häufig nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Das Personal ist jedoch notwendig, sowohl um Maßnahmen zu planen und umzusetzen, als auch um die Projektfördermittel zu beantragen und sachgerecht zu verwalten. Dies sind arbeitsintensive Tätigkeiten, die durch rein ehrenamtlich tätige Personen nur in deutlich eingeschränktem Maße umgesetzt werden können. Es gilt, hierbei weitere Anstrengungen zu unternehmen, damit das Projekt Europa zunehmend erfolgreicher werden kann. 

Das wollen wir auch mit unserem Antrag heute bewirken. Ich habe schon gesehen, in dem Alternativantrag der Koalition ist Analoges enthalten. Ich denke, wir werden diesem zustimmen, weil das der richtige Weg ist, den wir einschlagen wollen.

Zusammenfassend kann ich feststellen: Damit bereits junge Menschen von den vielen Vorteilen der europäischen Integration profitieren und ihre Werte schätzen lernen können, sollen Kinder und Jugendliche so früh wie möglich internationale Erfahrungen sammeln, eine Vorstellung vom europäischen Einigungsprozess entwickeln und sich reflektierend natürlich damit auseinandersetzen. Nur so erfahren sie selbst, was die europäische Zusammenarbeit so besonders macht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.