Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport): 

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dieser Aktuellen Debatte, die Sie, Herr Abg. Erben, beantragt haben, werden zentrale Themen aufgegriffen, die uns im Innenministerium intensiv beschäftigen. Dies sind die Bekämpfung des Rechtsextremismus, die Verfolgung und die Verhütung rechtsextremistischer Gewalttaten und damit im Zusammenhang stehend die Bekämpfung der von legalem als auch illegalem Waffenbesitz ausgehenden Gefahren.

Ich habe Anfang April über die Entwicklung der politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2023 informiert.

Mehr als zwei Drittel aller politisch motivierten Straftaten wurden im vergangenen Jahr der politisch motivierten Kriminalität rechts zugeordnet. Insgesamt wurden in diesem Phänomenbereich 2 036 Straftaten erfasst. 

(Zuruf: Wieso?)

Damit hat die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten im letzten Jahr einen neuen Höchststand erreicht. 

(Zuruf: Ach!)

Zwar machen Propagandadelikte mit fast zwei Dritteln den Großteil aller rechtsmotivierten Straftaten aus. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Anzahl der rechts motivierten Gewaltstraftaten erneut angestiegen ist, und zwar auf 123 Straftaten. 

Im Bereich der politisch motivierten Gewaltkriminalität machen rechts motivierte Gewaltstraftaten mehr als drei Viertel aller Fälle aus. Auch im Bereich der Straftaten mit fremdenfeindlicher Tatmotivation ist im Jahr 2023 erneut ein Anstieg zu verzeichnen. Mit insgesamt 701 Fällen wurde ein Höchststand erreicht. 

Der Anteil der Gewaltdelikte innerhalb der fremdenfeindlichen Straftaten ist mit 15,3 % nahezu dreimal so hoch wie der Anteil bei der übrigen politisch motivierten Kriminalität. Dies verdeutlicht das Gefahrenpotenzial fremdenfeindlicher Straftaten, wobei wiederum der weit überwiegende Anteil dem Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität rechts zugeordnet wurde. 

Für die Landespolizei ist und bleibt die Bekämpfung und Verfolgung der politisch motivierten Kriminalität, insbesondere im Phänomenbereich „Rechts“ weiterhin ein herausragender Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit. 

(Zuruf: Schön!)

Dies zeigt sich auch an der Entwicklung der Aufklärungsquote. Diese hat sich im letzten Jahr auf 50,4 % erhöht. Rechts motivierte Gewaltstraftaten konnten sogar in mehr als 82 % der Fälle aufgeklärt werden.

Der Waffenbesitz von Extremisten ist eine Gefahr, sowohl für den demokratischen Rechtsstaat als auch für jeden einzelnen Bürger. Den illegalen Waffenbesitz gilt es in jeder Hinsicht mit polizeilichen und strafprozessualen Mitteln zu bekämpfen. 

Der legale Waffenbesitz wird durch die ordnungsbehördlichen Mittel des Waffenrechts begrenzt. Auf die Verhinderung legalen Waffenbesitzes bei Rechtsextremisten zielt im Kern die heutige Aktuelle Debatte.

Auch auf die Gefahr hin, jetzt in eine waffenrechtliche Vorlesung abzugleiten, ist es, glaube ich, doch wichtig, darzulegen, dass das Waffengesetz einen klaren Rahmen setzt, und auch darzulegen, wie es diesen Rahmen setzt.

Mit staatlicher Zustimmung sollen nur solche Personen über Schusswaffen verfügen dürfen, die in jeder Hinsicht rechtstreu bzw. - mit den Worten des Waffenrechts - zuverlässig sind. So gehören Waffen nicht in die Hände von Personen, die bereits als Straftäter gezeigt haben, dass sie es mit dem Recht nicht so genau nehmen oder gar zu gewalttätigem Verhalten neigen.

(Zustimmung bei der CDU)

Genauso gehören Waffen nicht in die Hände von Extremisten jeder Art.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Deshalb bestimmt das Waffenrecht ganz klar, dass Personen, die Mitglied in einem Verein sind, der verboten wurde, oder ein Mitglied in einer Partei sind, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, grundsätzlich als waffenrechtlich unzuverlässig gelten. Kurzgefasst: Waffen gehören nicht in die Hände von Verfassungsfeinden. 

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Das Waffenrecht als Gefahrenabwehrrecht geht hierbei zu Recht noch einen Schritt weiter. Es wartet nicht auf ein aufwendiges Verbotsverfahren. Ein Verfassungsfeind kann sich hierbei nicht auf das Parteienprivileg berufen und sich bewaffnen. In unserer Demokratie bedarf die politische Auseinandersetzung keiner Schusswaffen.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Daher bestimmt das Waffengesetz, dass Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind, grundsätzlich als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen sind. Auch Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung waren bzw. sind, die solche Bestrebungen verfolgt hat, sind grundsätzlich als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen. 

(Zuruf: Wieso?)

Gleiches gilt für Personen, die eine solche Vereinigung unterstützt haben. Dies gilt für die Mitglieder aller Parteien oder Vereinigungen gleichermaßen, wenn diese Parteien oder Vereinigungen entsprechende Bestrebungen verfolgen.

Für die Landesverbände der Alternative für Deutschland und der Jungen Alternative wurde - darauf hatte der Abg. Herr Erben zu Recht hingewiesen - festgestellt, dass sie Bestrebungen verfolgen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Deshalb sind die Waffenbehörden nunmehr in der Pflicht, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit der Mitglieder der AfD und der Jungen Alternative zu prüfen. Dies hat das Landesverwaltungsamt auch jüngst noch einmal in einer Rundverfügung gegenüber den Waffenbehörden ausführlich erläutert. 

Das Waffenrecht spricht hierbei von einer Regelvermutung. Das heißt, Mitglieder einer verfassungsfeindlichen Vereinigung gelten grundsätzlich als waffenrechtlich unzuverlässig, ihnen sind waffenrechtliche Erlaubnisse grundsätzlich zu entziehen oder im Falle der Neuantragstellung zu verweigern. Vom Grundsatz ist im Einzelfall abzuweichen.

Nicht in jedem Fall, bei dem der Verdacht einer verfassungsfeindlichen Betätigung besteht, genügen die Erkenntnisse, um waffenrechtliche Erlaubnisse zu entziehen oder zu verweigern. Das gilt auch für Mitglieder einer als extremistisch eingeordneten Vereinigung.

Von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausgehend, ist zu prüfen, ob Umstände gegeben sind, die dazu führen, dass die betroffene Person abweichend doch als zuverlässig einzuordnen ist, weil diese sich z. B. von den extremistischen Aktivitäten der Vereinigung bzw. der Partei sichtbar abgrenzt. 

Was will ich damit sagen? Wer extremistische Bestrebungen verfolgt, solche Vereinigungen unterstützt oder deren Mitglied ist, muss sich gewahr sein, dass die Rechtsordnung, gegen deren Werte er sich positioniert, es nicht dulden wird, dass der über Schusswaffen verfügt.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP - Oliver Kirchner, AfD: Sie legen sich hier den Extremismusbegriff so aus, wie Sie ihn brauchen! Das ist das Problem!)

Wer sich hinreichend gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen abgrenzt und zu den Grundwerten unserer Verfassung steht, hat nichts zu befürchten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Frau Innenministerin, es gibt zuerst eine Intervention von Herrn Scharfenort. 


Jan Scharfenort (AfD):

Eine Frage.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Es ist eine Frage; das ist in Ordnung. Das können Sie machen, wie Sie wollen. Sie standen aber; deswegen ist es eine Intervention.


Jan Scharfenort (AfD):

Ja. Danke. - Ich bin kein Innenpolitiker. Aber mich würde einmal interessieren, wenn Sie schon einmal da sind: Unterscheiden Sie in Ihrer Statistik bei den rechts motivierten Strafbereichen und dem rechten Phänomenbereich auch zwischen Leuten mit nichtdeutschem Pass und solchen mit deutschem Pass? 

Zweite Frage. Erfassen Sie die antisemitischen Straftaten extra und, wenn ja, unterscheiden Sie dort auch in nichtdeutsch und deutsch oder eben auch nicht? - Das sind die zwei Fragen.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Wir haben im Bereich der politisch motivierten Kriminalität andere Kategorien. Wir haben den Phänomenbereich der politisch motivierten Kriminalität rechts, den Bereich der politisch motivierten Kriminalität links, die auslandsbezogene politisch motivierte Kriminalität und die, die nicht zuzuordnen ist. - Ich gucke gerade, ob ich sie jetzt vollständig aufgezählt habe. - Insofern haben wir dort verschiedene Kategorien. 

Selbstverständlich erfassen wir auch im Bereich der fremdenfeindlichen Straftaten antisemitische Vorfälle gesondert und ordnen sie dann jeweils einem Phänomenbereich zu. Wenn es klare Erkenntnisse gibt, ich sage einmal, wenn man ein Hakenkreuz mit einer antisemitischen Bezeichnung sieht, ist es klar dem Phänomenbereich rechts zuzuordnen.

(Zuruf von der AfD: Nö! Wieso? - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - Zuruf von der AfD: Ach was! - Matthias Büttner, Staßfurt, AfD: Sie sind ja so schlau! Der junge Karl Marx hat gesprochen! - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE - Unruhe)

Wenn es unklar ist, wenn es keinen weiteren Bezug gibt, dann kann es eben auch nicht zugeordnet werden. 

(Unruhe - Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)


Jan Scharfenort (AfD):

Darf ich eine Nachfrage stellen?


Vizepräsident Wulf Gallert:

Eine ganz kurze Nachfrage, Herr Scharfenort.


Jan Scharfenort (AfD):

Genau. - Die Frage war ja auch, ob Sie bei diesen Phänomenbereichen immer auch unterscheiden in „mit deutschem Pass“ und „mit nicht deutschem Pass“.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Im Bereich der polizeilichen Kriminalstatistik tun wir das in jedem Fall. Bei der politisch motivierten Kriminalität ordnen wir der Motivation zu. Ob dabei noch eine weitergehende Differenzierung erfolgt, kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen; das tun wir dann eher über die PKS, also über die Polizeiliche Kriminalstatistik.

(Zuruf: Richtig!)


Jan Scharfenort (AfD):

Vielen Dank.

(Dr. Hans-Thomas Tillschneider, AfD, meldet sich zu Wort)


Vizepräsident Wulf Gallert:

Herr Tillschneider hat noch eine Frage. Würden Sie die beantworten? 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Ja. - Ich habe eine Frage. Es ist natürlich klar, dass, wer straffällig geworden ist, keine Waffen bekommen darf. Wir haben alle hier ein Sicherheitsbedürfnis. Niemand will, dass Waffen missbraucht werden. Aber weshalb soll jemand, der eine politische Meinung hat, die     Sie sagen manchmal, es sei extremistisch. Wir widersprechen dem. Wir sind da unterschiedlicher Meinung. Aber jemand hat jedenfalls die Meinung, dass diese Regierung nicht passt, ist aber im Übrigen ein stabiler Mensch, geerdet, rechtstreu, nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Weshalb ist der waffenrechtlich unzuverlässig? Weshalb stellt der eine Gefahr dar, dass er die Waffe missbraucht und irgendwelchen Unfug anrichtet, im schlimmsten Fall jemanden erschießt, einen Amoklauf oder dergleichen macht? Es ist doch durchaus möglich, dass jemand zwar eine andere Meinung hat, auch eine sehr andere Meinung, aus Ihrer Sicht extremistisch, aus unserer Sicht vielleicht nicht, aber im Übrigen völlig rechtstreu ist und vor allem keinen Anhaltspunkt dafür bietet, die Waffe zu missbrauchen? - Das war meine Frage.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Es geht hierbei nicht um die Frage der Meinungsfreiheit. Auch die Meinungsfreiheit werde ich immer schützen und verteidigen. Es geht darum, ob sich jemand extremistisch gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, damit unser Rechtssystem und auch unsere staatliche Ordnung wendet. Die Einstufung dessen übernimmt der Verfassungsschutz. Das, was der Verfassungsschutz feststellt, kann gerichtlich überprüft werden. Insofern ist es zunächst eine behördliche Feststellung, die jederzeit der gerichtlichen Überprüfung anheim stehen kann, wenn dagegen geklagt wird. Solange nicht geklagt wird, gilt die Feststellung der Behörde, dass jemand gesichert rechtsextremistisch oder gesichert extremistisch ist.


Vizepräsident Wulf Gallert:

Eine kurze Nachfrage, Herr Tillschneider. 


Dr. Hans-Thomas Tillschneider (AfD):

Eine kurze Nachfrage. Anders als der Staatsschutz, der ja wirklich nur bei Kriminalität aktiv wird, beansprucht ja der Verfassungsschutz für sich, auch dann schon aktiv zu werden, wenn keine Kriminalität vorliegt, also wirklich nur im Bereich der Meinungen zu arbeiten. Deshalb noch einmal die Frage. Weshalb soll jemand, der nur eine ganz andere Meinung hat als die, die Sie gutheißen, der aber ansonsten nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist und dies nach menschlichem Ermessen auch nie tun wird, waffenrechtlich unzuverlässig sein? 


Vizepräsident Wulf Gallert:

Sie können antworten.


Dr. Tamara Zieschang (Ministerin für Inneres und Sport):

Dazu empfehle ich einfach einmal einen Blick in § 5 des Waffengesetzes. Das Waffengesetz legte da eine gewisse Kaskade fest. Die Kaskade ist, dass jemand, der schon rechtskräftig als Verbrecher verurteilt ist, definitiv nicht die Zuverlässigkeit besitzt. 

(Zuruf)

Dann geht es eben weiter, dass es eine Regelvermutung gibt, wo die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit unterstellt wird. Darunter fallen nicht Meinungen, sondern darunter fallen Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass jemand entweder als Einzelperson oder in der Partei, in der er Mitglied ist, Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtet sind. Insofern: Es geht nicht um Meinungen, sondern darum, dass Bestrebungen vorhanden sind, die gegen die verfassungsgemäße Ordnung gerichtet sind.